Wer auf der sicheren Seite sein will, definiert den Herbst einfach als den Übergang vom Sommer zum Winter. Wenn es etwas präziser sein soll, bezieht man sich auf den astronomischen Herbst. Er beginnt auf der Nordhalbkugel am 22. oder 23. September. Tag und Nacht sind gleich lang und von nun an wird es später hell und früher dunkel. Am 21. oder 22. Dezember endet der Herbst, an dem Tag, an dem Sonne zu Mittag am tiefsten über dem Horizont steht.

Die Phänomene, die mit dem Herbst einhergehen, halten sich allerdings nicht an diese Definitionen und können schon früher oder auch später in Erscheinung treten, wie etwa kühlere Temperaturen, die zur Reifbildung führen, vermehrtes Auftreten von Nebel, regnerisch-windiges Wetter oder die Buntfärbung der Blätter, wenn Büsche oder Bäume beginnen, die Pflanzensäfte in den Stamm oder in die Wurzeln zurückzuziehen. Dazu kommt, dass Dahlien blühen, dass Kastanien auf dem Boden liegen, dass auf den Märkten Kürbisse angeboten werden und dass die Rebstöcke auf den Weinbergen Trauben tragen.

All das, was der Herbst bringt, ist eine Aufforderung an Hobbyfotografen, die Kamera zu schnappen und Bilder zu machen.

Die erste Phase des Herbstes, die Zeit der rot orange „glühenden“ Büsche und Bäume ist nun vorüber – was aber nicht heißt, dass man die Kamera nun wegpackt und sich dem Sichten und Sortieren der bunten Herbstbilder widmet . Allerdings sollte das Sichten und Sortieren nicht vergessen werden, denn all zu schnell tobt das Chaos im Archiv. Aber dafür gibt es ja die langen Abende.

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Der Herbst mit seinen gelb-orange-rot leuchtenden Blättern ist vorbei – aber auch der Spätherbst lockt mit zahllosen Motiven.
Foto: Herbert Kaspar

Der Herbst ist eine Sache der Natur und so sind Motive draußen zu finden, zumindest in erster  Linie, denn Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel. Wer lieber drinnen bleibt und einen schönen warmen Tee trinkt, hat also gute Chancen, tolle Bilder zu verpassen. Gemäß der Devise, dass es kein schlechtes Wetter gibt, sondern nur die falsche Kleidung, sind eine regenfeste Jacke, etwas Warmes zum Drunterziehen („Zwiebelschalenmodell“) und vor allem gute Schuhe eine gute Voraussetzung, um sich in Ruhe dem Fotohobby widmen zu können. Wer schon in aller Frühe unterwegs ist, sollte schon einmal über kamerataugliche Handschuhe nachdenken – vielleicht solche ohne Fingerspitzen oder mit zurückklappbarer Fäustlingsspitze.

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Irgendwann liegen fast alle herbstbunten Blätter auf dem Boden und geben als warmfarbiger Teppich ein schönes Motiv ab – beispielsweise als Kontrast zu einem kühl wirkenden Wald im Nebel.
Foto: lussiya – Fotolia.com

Wie gesagt: Die Masse der bunten Blätter ist gefallen oder wurde vom Sturm verweht, was gleich zu neuen Motiven führt. Herbstlaub ist nicht nur an Büschen und Bäumen fotogen, sondern zum Beispiel auch auf Pflaster, im Gras oder auch auf sandigen Wegen, wo der monochrome Hintergrund das bunte Laub gut herauskommen lässt.

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Bunte Blätter auf einer Wasseroberfläche sind ein immer wieder faszinierendes Motiv. Ob man mit einem Polfilter Spiegelungen beseitigt, muss von Fall zu Fall entschieden werden. Schönes Licht kommt von einem bedeckten Himmel, der wie ein riesiges Hazy Light im Studio wirkt.
Foto: Herbert Kaspar

Herbstlich verfärbte Blätter, die ihren sicheren Platz an einem Busch oder Baum verlassen müssen landen mitunter auch in Bächen, Tümpeln oder Regentonnen, die darauf warten für den Winter geleert und weggeräumt zu werden. Auch in diesem Umfeld ist das Laub ein lohnendes Motiv, vor allem, wenn man mit Hilfe des Polarisationsfilters Reflexe von der Wasseroberfläche nimmt. Wichtig: der Winkel zwischen Oberfläche und optischer Achse sollte zwischen 30° und 40° liegen. Werden alle Reflexe eliminiert, wirkt das Bild oft „tot“. Also das Sucherbild genau auf die Wirkung hin anschauen und ein paar Spiegelungen übrig lassen.

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Die filigranen Strukturen eines Herbstblattes bilden einen Kontrast zu rauen, kompakt wirkenden Oberflächen. Auch bei Herbstbildern gelten die bekannten Regeln der Bildgstaltung – hier markieren die Fugen im Beton die Bildhalbierung und eine Drittellinie.
Foto: Herbert Kaspar

An den letzten braunen Blättern lassen sich bei Sonnenschein sehr schön die unterschiedlichen Wirkungen von Auflicht, Durchlicht und Streiflicht nutzen, um verschiedene Bilder aus einem Motiv zu machen. Wie bei vielen anderen Motiven auch ist es angebracht, sich nicht mit dem ersten Bild zufrieden zu geben, sondern das Motiv von unterschiedlichen Seiten zu erkunden und aufzunehmen.

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Wenn in der Dämmerung und / oder unten dunklen Wolken ein Lichtstrahl ein buntes Blatt trifft, das z. B. in einem Zaun hängen geblieben ist, verstärkt eine etwas knappere Belichtung das Leuchten. Gegebenenfalls kann man mit einer Taschenlampe nachhelfen.
Foto: Herbert Kaspar

In der Dämmerung schwinden die Farben. Das lässt sich nutzen, indem man mit einer Taschenlampe, die man gegebenenfalls ein bisschen abklebt, ein einzelnes buntes Blatt, das noch am Busch oder Baum hängt, zum Leuchten bringt. Ob Auflicht oder Durchlicht das bessere Bild bringen, lässt sich nur vor Ort durch Ausprobieren entscheiden.

Auch wenn schöne Herbsttage noch mit angenehmen Temperaturen aufwarten können, wird es nachts doch empfindlich kühl. Das kann dann dazu führen, dass in der Früh Tau einen glitzernden Belag auf buntem Laub, aber auch auf Grashalmen bildet. Das ist allemal ein Bild wert.

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Spinnen sind nicht jedermanns Sache – aber an einem schön gebauten Spinnennetz, an dem Tautropfen hängen sollte man nicht vorübergehen.
Foto: jesiotr9 – Fotolia.com

Sehr schön wirkt Tau auch auf Spinnennetzen, besonders, wenn die Tropfen eng und regelmäßig verteilt sind. Schräg einfallendes Licht lässt die Tropfen leuchten.

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Kleine Eiskristalle auf der Oberfläche oder entlang der Ränder eines Blattes kommen im Sonnenschein besonders gut heraus.
Foto: Herbert Kaspar

Wenn es nachts noch kälter wird, bedeckt am Morgen nicht Tau Blätter, Grashalme oder Zaunpfosten, sondern Raureif. Besonders, wenn die kleinen Kristalle Kanten umsäumen, sind sie besonders fotogen – erst recht, wenn Gegenlicht sie zum Leuchten bringt. Eine kleine Pluskorrektur kann nötig sein, um im umsäumten Blatt ein bisschen mehr Zeichnung zu erzielen.

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Nebel und Vollmond – eine ideale Kombination für stimmungsvolle Bilder.
Foto: Herbert Kaspar

Wie die bunten Blätter gehört der Nebel zu den Phänomenen, die das Erscheinungsbild des Herbstes prägen. Die hellen Schwaden können den Belichtungsmesser, wie andere im ganzen helle Motive auch, in die Irre führen. In der Annahme ein hell beleuchtetes mittelgraues Standardmotiv vor sich zu haben, wird er dafür sorgen, dass das Nebelbild dumpf und vergraut wirkt. Das kann zwar manchmal die Stimmung besser ins Bild bringen, als eine korrekte Belichtung, aber in der Regel wird eine Pluskorrektur um eine halbe oder auch ganze Stufe dem Nebelbild gut tun.

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Bodennebel, aus dem Bäume und Büsche herausragen, sind es wert, dass man ein bisschen früher aufgestanden ist.
Foto: stakaz – Fotolia.com

Nebel wirkt auch sehr schön, wenn man nicht mittendrin steckt, sondern wenn man von einer Höhe aus sieht, wie er in einem Tal liegt. Wenn dann noch Bäume oder Gebäude aus dem Nebel ragen – umso besser. Wenn man Glück hat (als Fotograf, die anderen sind eher genervt), bleibt der Nebel lang im Tal liegen und man kann Bilder bei verschiedenen Lichtstimmungen machen.

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Wenn der Herbstwind durch die letzten Blätter fegt, die noch an Büschen und Bäumen hängen, bringen längere Verschlusszeiten die Bewegung ins Bild. Wichtig: Statische Motivteile als Gegensatz zur Bewegung. Auch gut: Man findet jemanden, der Blätter im Wind hochwirft und fotografiert sie von tief unten.
Foto: Walter Quirtmair | Dreamstime.com

Von der leichten Brise bis zum Herbststurm – Wind gehört zum Herbst. Nun lässt sich die Bewegung der Luft nicht direkt abbilden, aber es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, sie dennoch ins Bild zu holen. Immer steht eine lange Verschlusszeit im Mittelpunkt, die bei normalen Lichtverhältnissen aber gern zu Überbelichtungen führt. Wenn es nicht reicht, kleine Blenden und niedrige ISO-Werte einzustellen, bleibt nur der Griff zu Grau- oder Neutraldichtefilter, einem der Filter, die man auch als Digitalfotograf in der Fototasche haben sollte. (Die beiden anderen sind der Polarisationsfilter und der Grauverlaufsfilter.)  Die üblichen Graufilter „schlucken“ zwischen einer und zehn Belichtungsstufen, was man den Bezeichnungen nicht gleich ansieht. Ein ND 4x oder ND 0,6 „schluckt“ zwei Belichtungsstufen, beim ND 8x oder ND 0,9 sind es drei Stufen und ein ND 1000x oder ND 3,0 reduziert das einfallende Licht um 10 Belichtungsstufen.

Typische Motive für Aufnahmen mit langen Verschlusszeiten sind Büsche oder Bäume, die vom Wind mehr oder weniger stark gebeutelt werden. Dabei werden die bunten Blätter zu verwischten Flecken / Flächen, die im Gegensatz zum Stamm stehen, der meist scharf ins Bild kommt. Solche Bilder sind ohne Stativ nur schlecht hinzubekommen. Dabei ist darauf zu achten, dass das Stativ nicht zu leicht ist. Die Beine sollten nur so weit ausgezogen werden, wie der gewünschte Bildausschnitt es nötig macht. Die Mittelsäule bleibt am besten unten. Je mehr Angriffsfläche das Stativ dem Wind bietet, desto eher bringt er es zum Vibrieren. Gegebenenfalls kann man sich auch noch hinstellen, dass man den Stativ „Windschatten“ bietet.

Text (c) Herbert Kaspar

Fortsetzung folgt 

 

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