Mit der Fujifilm X-S10 wird nicht nur eine neue Familie der Fujifilm X-Kameras gegründet, sondern auch eine Konkurrentin für das Top-Modell X-T4 installiert!
In der Klasse der APS-C-Systemkameras wird es bei Fujifilm allmählich eng. Zu den Serien X-A, X-E, X-H, X-Pro und X-T (ohne Wertung in alphabetischer Reihenfolge) kam Ende letzten Jahres die X-S10 – kompakt, leicht und – so verspricht es die Ankündigung – leistungsstark. Schauen wir sie uns an.
Kompakt und leicht? Das stimmt auf jeden Fall. Die X-S10 misst laut Datenblatt 126 x 86 x 66 mm. Dabei sind (wie wohl immer in Datenblättern) die Ösen nicht mitgerechnet. Aber auch mit Ösen (134 mm Gesamtbreite) ist die X-S10 wirklich kompakt und mit 793 g inkl. Set-Zoom XF 18-55 mm 1:2,8-4 R LM OIS auch leicht. Damit sind auch längere Sessions kein Problem.
Für die gute Handhabung sorgt auch der Handgriff, der auf den ersten Blick ein bisschen dicker sein könnte. Auf den zweiten Blick stellt man fest, dass die Stärke des Griffs gerade richtig ist, denn beim kräftigeren XF 16-80 mm F4 R OIS WR ist der Abstand zwischen Griff und Objektiv gerade noch groß genug für bequemes Arbeiten.
Der Griff, die obere und die vordere Gehäuseplatte sind aus einer Magnesiumlegierung gefertigt und verleihen der Kamera Robustheit und Stabilität.
Nicht nur der Handgriff unterscheidet die X-S10 von den Kameras der X-T Serie und auch bei der Belegung mit physischen Einstellelementen gibt es Änderungen.
Auf dem Handgriff sitzt die Kombi, die ich immer wieder lobe: Der Hauptschalter umgibt den Auslöser und man ist mit einem Griff aufnahmebereit. Der Knubbel mit dem man den Hauptschalter bewegt könnte ausgeprägter sein. Gleich daneben: der Movieauslöser. Das kann, bis man sich eingewöhnt hat, zu ungewollten Filmchen führen, zumal dahinter die Q-Taste liegt, mit der man das übersichtliche Quick-Menü aufruft, um 12 wichtige Funktionen schnell zu erreichen. Rechts davon die ISO-Taste.
Unter der Auslöser/Hauptschalter-Kombi ragt eines der drei Einstellräder aus dem Griff und lässt sich gut mit dem Zeigefinger bedienen. Was man hier umstellt, hängt von der aktuellen Betriebsart ab, wie auch beim Einstellrad, das seinen Platz in der rechten hinteren Ecke der rechten Schulter hat.
Da ich gern mit Blendenvorwahl fotografiere – beim XF 18-55 habe ich den Einstellring als Blendenring konfiguriert, das XF 16-80 hat einen echten Blendenring – konnte ich hier sehr schnell die Belichtungskorrektur einstellen.
Links davon sitzt das für Fujifilm-Kameras ungewohnte Betriebsartenwählrad, das sauber einrastet und in 12 Positionen gebracht werden kann.
Natürlich gibt es die PASM-Modi, also Programm-, Zeit- und Blendenautomatik sowie Manuell-Modus. Dazu kommen noch vier Programme, die man selbst konfigurieren kann. Wer sich lieber von der Kamera verwöhnen lässt, kann mit AUTO eine Vollautomatik wählen, die Motive zuverlässig erkennt und die entsprechenden Einstellungen vornimmt.
Stellt man das Rad auf SP, hat man Zugriff auf 14 Motivprogramme. Klassiker wie Landschaft, Porträt, Sport oder Nachtaufnahme dürfen nicht fehlen. Dazu gibt es u. a. Programme für Aufnahmen beim Tauchen, bei Partys oder von Textvorlagen.
Mit der Einstellung FILTER kann man, natürlich, zwischen Filtern wählen. Es sind acht, wenn man die Möglichkeit, Color Key Effekte auf verschiedene Farben anzuwenden, als einen Filter zählt. High Key, Low Key und Soft verwende ich für mich immer wieder mal, die anderen, wie Toy der Pop-Farbe eher nicht – aber das ist Geschmackssache.
Die Ausstattung wird abgerundet durch die Möglichkeit, Panoramabilder, HDR-Aufnahmen, Intervallaufnahmen und Mehrfachbelichtungen zu machen.
Mit der Wahl des Filmkamera-Icons schaltet man die X-S10 entsprechend in den Movie-Modus.
Damit man im Filter-Modus schnell auf die Filter zugreifen kann, gibt es ein spezielles Einstellrad. Es hat seinen Platz auf der linken Gehäuseschulter.
In den anderen Modi kann man mit diesem Einstellrad zwischen den für Fujifilm typischen Filmsimulationen wählen, die natürlich auch die X-S10 an Bord hat. Die Filmsimulationen sind dem Look legendärer analoger Filme von Fujifilm nachempfunden. Die Auswahl ist mit 18 Filmsimulationen auf dem neuesten Stand. Mit dabei sind Eterna Bleach Bypass für hohen Kontrast und entsättigte Farben und auch Acros für besondere S/W-Aufnahmen, die mir sehr gut gefallen. Auch der Weichzeichner kommt bei mir immer wieder zum Einsatz.
Mit dem kleinen Hebel unter dem Rad kann man, wenn man es braucht, den Blitz aus dem gewohnt kantigen Sucheraufbau springen lassen. Er ist kein Leistungsriese, kann aber hilfreich sein, wenn man rasch einen Schatten aufhellen möchte.
Auf der Rückwand beansprucht der 3“-Touchscreen-Monitor den meisten Platz. Mit seiner Auflösung von 1,04 Mio. RGB-Dots reißt er zwar niemanden mehr vom Hocker, aber das Bild ist scharf und zeigt gute Farben. Was man darauf sehen möchte, kann man mit der DISP BACK Taste wählen. Natürlich ist es praktisch, wenn man viele Informationen zum Kamerastatus angezeigt bekommt, aber manchmal möchte man sich ganz aufs Motiv und den Bildaufbau konzentrieren und dafür lässt sich das Sucherbild bis auf ein Icon ganz leerräumen.
Der Monitor ist in zwei Achsen beweglich gelagert. Er kann nach links geschwenkt und dann um die Längsachse gedreht werden. Das eröffnet die Möglichkeit, bequem in Bodennähe zu fotografieren oder zu filmen. Vlogger können sich bei der Arbeit sehen.
Fotografen werden aber doch meistens den Sucher verwenden. Er ist mit seiner Auflösung von 2,36 Mio. RGB-Dots und einer Vergrößerung von 0,62x [@KB] nicht so gut wie etwa der Sucher der X-T4. Aber das Bild des OLED-Bildschirms ist klar und man kommt damit gut zurecht.
In einigen Situationen ist der Sportsuchermodus interessant, etwa bei Aufnahmen von spielenden Kindern, Sportlern oder Tieren. Sportsuchermodus heißt, dass im Sucher oder auf dem Monitor mehr zu sehen ist, als aufgenommen wird. Dadurch kann man sehr auf Änderungen reagieren, die im Umfeld des Hauptmotivs passieren. Damit verknüpft ist ein Crop-Faktor von 1,25x, der sich bei den genannten Motiven aber positiv auswirkt.
Dank des Augensensors erfolgt der Wechsel zwischen Sucher und Monitor automatisch. Hier wie da kann man sich das Hauptmenü anzeigen lassen, indem man auf die MENU OK-Taste unten auf der Rückwand drückt.
Das Hauptmenü ist klar gegliedert und bietet sehr viele Möglichkeiten, die Kamera an die eigene Arbeitsweise anzupassen. Hier kann man u. a. sieben Tasten und Räder mit anderen Funktionen belegen und ebenso vier virtuelle Funktionstasten, die auf dem Monitor zur Verfügung stehen, konfigurieren.
Ein in der Praxis ungemein wichtiges Einstellelement auf der Rückwand ist ein mini Mini-Joystick (er ist wirklich mini und dürfte ruhig doppelt so groß sein), mit dem man den AF-Punkt im Sucherbetrieb sehr schnell dort positionieren kann, wo man ihn haben möchte.
Neu bei der X-S10 ist, dass man den Joystick auch drücken kann. Damit ist es z. B. schnell möglich, von der automatischen Gesichtserkennung zum manuellen Verschieben des Messfeldes zu wechseln. Die entsprechenden Voreinstellungen nimmt man im Menü vor.
Es ist auch möglich, den dann dunkel bleibenden Monitor als Touch-Pad zu verwenden und im Suchermodus den AF-Punkt mit dem Daumen zu verschieben. Mir ist aber der Joystick, auch wenn er klein ist, lieber.
Kommt der Monitor bei Stativaufnahmen als Sucher zum Einsatz, ist es praktisch, den AF-Punkt durch Antippen des Bildschirms festzulegen.
Auch mit der X-S10 bleibt Fujifilm dem APS-C-Format (23,5 x 15,6 mm, Crop-Faktor 1,5x) treu. Der BSI-(Backside Illuminated)-Sensor ist in der für Fujifilm typischen X-Trans-Technologie ausgeführt. Die Variante X-Trans CMOS 4 kommt auch im Top-Modell X-T4 zum Einsatz.
Der Sensor hat eine Auflösung von 26,1 MPix und die maximale Bildgröße liegt bei 6240 x 4160 Pixeln. Damit kann man Bilder mit einer Druckauflösung von 300 ppi, die für d-pixx foto verwendet wird, bis zu einer Größe von mindestens 528 x 352 mm ausgeben – das heißt, dass man Spielraum hat, um eine Doppelseite zu gestalten.
Natürlich ist die Abbildungsleistung auch vom Objektiv abhängig und es gibt im Angebot von Fujifilm einige Objektive, die besser sind als das Set-Zoom. Aber schon mit diesem kleinen Objektiv erreicht man bei einer Brennweite von 50 mm [@KB] und Blende 8 in der Bildmitte hohe Auflösungswerte von 0,48 Cycles /Pixel (Imatest 4.3 Master).
Es können Empfindlichkeiten im Bereich von maximal ISO 80 bis ISO 51.200 eingestellt werden. Die Höchstwerte sollten (wie immer) nur in Notfällen verwendet werden. Aber der Bildprozessor X-Processor 4 sorgt dafür, dass Bilder bis ISO 6400 ohne störendes Rauschen daherkommen und, dass auch ISO 12.800 noch alltagstauglich ist.
Im Bereich bis ISO 6400 ist der Dynamikumfang nicht so hoch, wie man es von einigen anderen aktuellen Kameras kennt – aber 10 bis 11 Blendenstufen sind auch schon ein sehr guter Wert.
Der Weißabgleich arbeitet in der automatischen Grundeinstellung hervorragend und bringt die Farben des Motivs natürlich ins Bild, wenn die Basis-Filmsimulation Provia eingestellt ist. Natürlich kann man den Look der Bilder ändern, indem man einfach eine andere Simulation wählt.
Die X-S10 ist nach der X-H1 und X-T4 die dritte Fujifilm X-Kamera, die ein IBIS-(In Body Image Stabilization)-System bietet. Durch Bewegungen des Sensors in 5 Achsen sollen Verwacklungen bis zu 6 Verschlusszeitenstufen ausgeglichen werden. Wenn OIS-Objektive angesetzt werden, arbeiten die beiden Stabilisatoren zusammen. Der OIS arbeitet in zwei, der IBIS in drei Achsen.
Mit dem Set-Zoom und der längsten Brennweite von rund 80 mm [@KB] kam ich auf unverwackelte Freihandaufnahmen mit 1/2 Sek.. Beim Filmen kommt noch eine digitale Stabilisierung hinzu.
Auch die X-S10 bietet einen Hybrid-AF, der wirklich blitzschnell auf das Motiv scharf stellen und Motive, die sich bewegen, gut in der Schärfe halten kann. Gesichts- und Augenerkennung funktionieren einwandfrei. Allerdings bietet die X-S10 keine Tiererkennung an (was sich vielleicht bei einem Firmware-Update irgendwann ändert?). Fujifilm ist für gute Firmware-Updates bekannt.
Der automatischen Messfeldwahl stehen insgesamt 2,16 Millionen Phasen-AF-Pixel auf dem Sensor zur Verfügung, dessen Fläche damit ausgefüllt ist. Will man selbst das AF-Feld wählen, kann man entweder 117 oder 425 Messfelder voreinstellen. Es ist möglich, mit Einzelfeldern und Gruppen zu arbeiten und deren Größe zu ändern.
Wenn man die Möglichkeit haben möchte, unter mehreren Schärfenebenen zu wählen oder wenn man eine Schärfenzone erreichen möchte, die man durch Abblenden nicht erzielen kann, bietet die X-S10 Fokus-Bracketing an.
Für den letzteren Fall ist der Auto-Modus hilfreich. Hier kann man die vordere und hintere Grenze der gewünschten Schärfenzone festlegen und die Automatik bestimmt die Schrittweite. Leider ist es nicht möglich, die einzelnen Aufnahmen schon in der Kamera zusammenzurechnen (Stacking), aber das ist mit verschiedenen Bildbearbeitungsprogrammen kein Problem.
Apropos Bracketing: Man kann auch Serien für Belichtung, Weißabgleich, Filmsimulationen, ISO-Wert und DRO (Dynamic Range Optimizer) aufnehmen, um in schwierigen Situationen auf der sicheren Seite zu sein.
Die X-S10 ist mit einem doppelten Verschlusssystem ausgestattet. Der mechanische Verschluss bietet als kürzeste Zeit 1/4000 Sek., der elektronische Verschluss kommt bis zur 1/32.000 Sek.
Der bereits erwähnte X-Processor 4 ist auch für die hohe Geschwindigkeit der X-S10 mit verantwortlich. Mit dem mechanischen Verschluss sind bis zu 8 B/Sek. möglich, mit dem elektronischen Verschluss sogar bis zu 30 B/Sek., wobei allerdings ein Crop-Faktor von 1,25x ins Spiel kommt. Auch bei den schnellen Serien bleibt das Sucherbild ohne Dunkelphasen sichtbar.
Die Geschwindigkeit hängt auch vom Speicherkärtchen ab. Die X-S10 bietet einen Slot für SD-Karten (UHS-II kompatibel), der leider mit dem Akku-Fach kombiniert ist und das Entnehmen des Kärtchens zu einer fummeligen Angelegenheit macht.
Der Akku muss in der Kamera über den USB-Anschluss geladen werden, wenn man nicht in eine Ladeschale als Zubehör investieren möchte. Die Akku-Laufzeit bis 325 Aufnahmen ist nicht top, aber OK.
Für den Anschluss an Smart-Geräte sind WLAN- und Bluetooth-Module an Bord.
Video-Filmer werden von der neuen X-S10 gut bedient: Die 4K-Auflösung wird in zwei Varianten geboten. Das Standard-UHD-Format wird durch das etwas breitere DCI-Format ergänzt. Für beide liegt die maximale Frequenz bei 29,97 fps. Bei der Ausgabe über den HDMI-Anschluss sind 10 Bit und 4:2:2 Farbabtastung möglich, 4:2:0 bei der Ausgabe auf das SD-Kärtchen. Zudem werden für Hochgeschwindigkeitsaufnahmen für Zeitlupen-Sequenzen 240 fps im Full-HD-Format erreicht. Ein eingebautes Stereomikrofon sorgt für einen ordentlichen Ton. Eine Buchse für ein externes Mikro findet man auf der linken Schmalseiten oben.
Alles in allem ist die kleine Fujifilm X-S10 eine Kamera, die zwar von der Ausstattung nicht ganz so viel bietet wie die teurere X-T4, aber in der Abbildungsleistung mit dem Top-Modell der Serie gleichziehen kann.
BEWERTUNG FÜR DIE FUJIFILM X-S10
MIT FUJINON SUPER EBC XF 18-55 mm 1:2,8-4 R LM OIS
GUT – SEHR GUT – HERVORRAGEND – HERVORRAGEND PLUS – HERVORRAGEND DOPPEL PLUS
Text und alle Fotos © Herbert Kaspar
PRAXISBILDER
Ein Klick auf eines der Praxisbilder bringt es in der Größe von 2400 Pixeln über die lange Seite auf Ihren Bildschirm. Die Bildgröße wurde im aktuellen Adobe Photoshop reduziert.
Eine Ausnahme sind die entsprechend gekennzeichneten 100-%-Crops. Sie zeigen 2400 x 1600 Pixel aus dem 6240 x 4160 Pixel großen Originalbild.
Beachten Sie bitte, dass die Bildqualität, besonders die Farbwiedergabe, auch von den Einstellungen Ihres Monitors abhängt!
Fujifilm X-S10
mit Fujinon Super EBC XF 18-55 mm 1:2,8-4 R LM OIS
Fujifilm X-S10
mit Fujinon Super EBC XF 16-80 mm 1:4 R OIS WR
Fujifilm X-S10
Filmsimulationen
Fujifilm X-S10
Filter
Fujifilm X-S10
Fokus-Bracketing
ISO-REIHE
Das erste Bild zeigt den Aufbau im Studio, der wie immer mit einer Tageslicht-Fotoleuchte beleuchtet wurde. Die Helligkeit entspricht etwa EV 7.
Die weiteren Bilder sind 100-%-Crops aus den 6240 x 4160 Pixel großen Originalbildern.
Alle Aufnahmen der ISO-Reihe:
Fujinon Super EBC XF 18-55 mm 1:2,8-4/18-55 mm @ Brennweite 31,5 mm | F8