Aktuell umfasst die Serie der Zeiss Milvus Objektive umfasst neun MF-Festbrennweiten, von denen zur photokina 2016 das Apo-Sonnar 2/135 mm T*, das Distagon 2,8/18 mm T* und das Distagon 2,8/15 mm T* vorgestellt wurden. Das 15er schauen wir uns nun näher an.
Seit 2014 werden bei Zeiss neue Objektive nach Vögeln benannt. Es begann mit „Touit“, einem Waldpapagei, für die „Otus“-Serie steht die Waldohreule Pate und die „Milvus“-Objektive verdanken ihren Namen dem Milan.
Diese Wahl der Namen kann auch als Verbeugung vor Paul Rudolph und Ernst Wandersleb verstanden werden. Rudolph rechnete 1902 den Tessar-Typ (Triplet aus 4 Linsen in 3 Gruppen), Wandersleb verhalf ihm 1907 zu einer hohen Lichtstärke (bis 1:3,5). Diese Objektive wurden als „Adleraugen“ weltberühmt. Und weil wir gerade in der Vergangenheit stecken: 1972 wurde das Zeiss Distagon 3,5/15 mm (110° Bildwinkel) vorgestellt, das erste Ultraweitwinkel für KB-SLR-Kameras. Die neueste Ausführung ist gerade mal 2/3 Blendenstufen lichtstärker als ihr Urahn)
Ein neues 18-mm- und parallel dazu ein neues 15-mm-Objektiv? Ist das nicht irgendwie doppelt gemoppelt?
Drei Millimeter Unterschied in der Brennweite sind zwar nicht sehr viel, machen sich aber beim Bildwinkel bemerkbar. Das 18er weist einen diagonalen Bildwinkel von 99° 54‘ auf, beim 15er sind es 110°, und diesen Unterschied kann man sehen. Den Praxistest des 18ers können Sie übrigens in d-pixx 6/2016 nachlesen. (Sollte Ihnen diese Ausgabe fehlen, können Sie sie in unserem Shop nachbestellen.)
Das Milvus Distagon 2,8/15 mm T* kam in der ZF.2-Ausführung, also mit Nikon-Bajonett, in die Redaktion und wurde an einer Nikon D610 eingesetzt. Außerdem gibt es auch die ZE-Ausführung für Canon.
Wie die anderen Milvus-Objektive auch ist das 15 mm ein manuell zu fokussierendes Objektiv. Über die Kontakte im Bajonett kann aber die Blende gesteuert werden, sodass die Arbeit mit Programm-, Zeit- oder Blendenautomatik problemlos möglich ist.
Der Blendenring des Objektivs bleibt dabei immer in der Position für Blende 22 verriegelt und die Blende wird am Einstellring der Kamera gewählt. Das ist in der Praxis ein Vorteil, der Blendenring ist ganz hinten am Objektiv untergebracht, wo es den geringsten Durchmesser aufweist, und da er sehr schmal ist, lässt er sich nicht besonders gut anfassen.
Gleich davor wird das Objektiv dicker. Der Durchmesser am Fokussierring liegt bei 80 mm. Dann wird der Durchmesser trompetenförmig größer bis 102 mm. Entsprechend groß ist der Durchmesser, den Einschraubfilter haben müssen: 95 mm (was sich in deren Preis bemerkbar macht).
Die Vier-Segment-Streulichtblende nimmt den Schwung des Objektivs auf, erreicht einen Durchmesser von 114 mm, und wenn sie montiert ist, bilden sie und das Objektiv eine sehr elegante Einheit.
Sowohl der Objektivtubus wie auch die Streulichtblende sind aus Metall gefertigt. Das Gewicht der Einheit beträgt 844 g ohne Front- und Rückdeckel, die zusammen weitere 24 g wiegen.
Am Fokussierring sind die Einstellungen für 0,25 m, 0,3 m, 0,4 m, 0,6 m 1 m, 2 m und ∞ aufgebracht, auf dem Tubus dahinter eine Schärfenzonenskala mit Markierungen für alle Blenden von 2,8 bis zur kleinsten Blende 22.
Der Fokussierring ist mit einer unstrukturierten Oberfläche versehen. Das Material (mattschwarzer Gummi) bietet aber sehr guten Grip. Mit einer Drehung um 120° durchfährt man den Bereich von Unendlich bis zur Naheinstellgrenze von 25 cm, wobei 110° auf den Bereich von 2 m bis 25 cm entfallen. Der große Drehwinkel und der geschmeidige Lauf des Rings machen einerseits sehr komfortables und sicheres Einstellen möglich – allerdings nicht immer wirklich punktgenau.
Der Sucher der Nikon D610 ist zwar sehr schön groß (Vergrößerung 0,7x ), aber die Details, die man mit einem 15er und 110° Bildwinkel hier zu sehen bekommt, sind meistens sehr klein, und es ist schwer, zwischen scharf und unscharf zu unterscheiden. Wegen der großen Schärfenzone fällt das allerdings bei vielen Aufnahmen nicht ins Gewicht. Im Gegenteil – man kann oft ganz aufs Fokussieren verzichten, in dem man die gute alte Schnappschusseinstellung nutzt. Bei Blende 8 und Einstellung auf 2 m wird alles zwischen 64 cm und ∞ scharf ins Bild gebracht, bei Blende 5,6 und Einstellung auf 1 m erfasst die Schärfenzone alles zwischen 57 cm und 3,89 m. Die Angaben wurden auf www.dofmaster.com berechnet, aber das klappt auch sehr gut in der Praxis.
Bei Aufnahmen aus geringeren Entfernungen und mit größeren Blenden wurde die Nikon aufs Stativ gestellt und Live-View mit Monitorlupe aktiviert, um die Schärfe genau auf ein Motivdetail abzustimmen. Bei Blende 2,8 und 25 cm Abstand hat die Schärfenzone gerade noch Ausdehnung von rund 4,5 cm!
Wer gern mit großen Bildwinkeln spielt, ist bei einem Objektiv mit 15 mm Brennweite natürlich immer bestens aufgehoben – vor allem, wenn das Objektiv eine Naheinstellgrenze von nur 25 cm aufweist. Damit kann man z. B. ein Motiv formatfüllend aufnehmen, das nur 34 x 22 cm groß ist, man kann aber auch kleine Motivteile im Vordergrund scharf ins Bild holen, während der Hintergrund weit weg ist, und mit der steilen Perspektive spielen.
Das Objektiv ist aus 15 Linsen in 12 Gruppen aufgebaut. Fünf der Linsen besitzen eine anomale Teildispersion, zwei warten mit asphärischen Oberflächen auf.
Abbildungsleistung
Schon bei ganz offener Blende erzielt das Objektiv in der Bildmitte hervorragende Werte bei Auflösungsvermögen und Kontrast, die durch Abblenden sogar noch etwas besser werden. Bei Blende 16 ist die Bildmitte auf dem selben Level wie bei Blende 2,8. Erst bei Blende 22 gehen die Werte in der Bildmitte auf sehr gut zurück. Bei allen Blenden ist zwar mit einem Nachlassen der Leistung zu den Bildrändern hin zu rechnen, aber nur bei Blende 2,8 und 4 wird man es wahrnehmen, vor allem durch eine etwas flauere Wiedergabe als in der knackigen Bildmitte. Aber das ist Meckern auf sehr hohem Niveau.
Für ein Ultraweitwinkel mit 110° Bildwinkel ist das Problem der Verzeichnung hervorragend gelöst. Nur wenn gerade Linien sehr nah am Bildrand verlaufen, wird bei großen Aufnahmeentfernungen eine sehr geringe Durchbiegung (tonnenförmig) sichtbar. Bei Nahaufnahmen kommt die “Tonne” erwartungsgemäß deutlicher ins Bild.
Auch Vignettierung spielt nur eine untergeordnete Rolle. An den Bildrändern ist praktisch nichts zu sehen. Die äußersten Bildecken sind bei ganz offener Blende sichtbar dunkler als in der Mitte, was z. B. bei einem gleichmäßig blauen Himmel auffällt, aber Abblenden auf 5,6 löst das Problem fast ganz und bei Blende 8 ist dann keine Randabschattung mehr zu sehen.
Die typischen Farbsäume der chromatischen Aberration fallen auch bei Bildern mit kontrastreichen Kanten in der Bildmitte oder am Bildrand nicht auf.
Gegenlicht ist für das Objektiv kein Problem, auch dann nicht, wenn eine helle Lichtquelle nah am Bildrand oder knapp außerhalb des Bildfeldes angeordnet ist.
Alles in allem
verdient sich das Zeiss Milvus Distagon 2,8/15 mm T* die Note hervorragend++ durch seine Abbildungsleistung. Dem steht aber gegenüber, dass exaktes Fokussieren nicht ganz einfach ist und vor allem, dass für dieses Objektiv um die 2700 Euro bezahlt werden sollen.
GUT – SEHR GUT – HERVORRAGEND – HERVORRAGEND PLUS – HERVORRAGEND DOPPEL-PLUS
Text (c) Herbert Kaspar
Bilder (c) Herbert Kaspar
Grafik optischer Aufbau (c) Zeiss
Interessiert am Zeiss Milvus Distagon 2,8/15 mm T*?
Das Objektiv mit Nikon-Anschluss kann hier für 2699,- € bestellt werden. (Stand 6. Januar 2017)
Das Objektiv mit Canon-Anschluss kann hier für 2699,- € bestellt werden. (Stand 6. Januar 2017)
Praxisbilder (an Nikon D610)
Hinweis: Ein Klick auf ein Beispielsbild bringt es in der vollen Größe von 6016 x 4016 Pixel auf Ihren Bildschirm.
Alle Bilder sind unbearbeitete JPEGs aus der Kamera.
Beachten Sie bitte, dass die Bildqualität, besonders die Farbwiedergabe, auch von den Einstellungen Ihres Monitors abhängt!
Alle Bilder (c) Herbert Kaspar