Canon baut das System der spiegellosen Systemkameras aus. Wir haben das Objektiv Canon EF-M 3,5/28 mm Macro IS STM an der EOS M3 einem Praxistest unterzogen.
Seit die EOS M im Juli 2012 vorgestellt wurde und Canon in die Welt der spiegellosen Systemkameras eintrat, wurden bis Sommer dieses Jahres gerade mal fünf EF-M-Objektive vorgestellt. Das ist nicht nur nicht viel, sondern eher wenig. Zugegeben – es gibt ein recht lichtstarkes 2/22 mm STM und mit den vier Zooms kann man einen Brennweitenbereich von 11 mm bis 200 mm abdecken (von rund 18 mm bis 320 mm [@KB]), aber verglichen mit dem Angebot von Fuji oder Sony, die auch CSCs mit APS-Sensor haben, sind die fünf Objektive ein mageres Angebot.
Nun wurde aus dem Quintett ein Sextett. Im Juni kam das EF-M 3,5/28 mm Macro IS STM auf den Markt.
28 mm heißt, dass das Objektiv vor dem APS-Sensor einen Bildwinkel von 51° 55‘ abdeckt. Das entspricht einem 45-mm-Vollformatobjektiv. Damit kann man das 28er im APS-System als „erweitertes Standardobjektiv“ ansehen – und entsprechend vielseitig kann es genutzt werden. Architektur- und Landschaftsaufnahmen gehören ebenso zu seinem Einsatzgebiet, wie Bilder von einzelnen Personen und Gruppen. Auch Streetfotografie passt, da die EOS-M-Modelle nicht sehr groß sind. (Das 22er ist als Pancake-Objektiv in diesem Zusammenhang aber die noch bessere Wahl, weil es noch unauffälliger ist und einen etwas größeren Bildwinkel abdeckt.)
Die Bezeichnung Macro im Namen bedeutet bei diesem Objektiv, dass noch ein weiteres Einsatzgebiet dazukommt: die Makrofotografie. Im Normalmodus erreicht man einen größten Abbildungsmaßstab von 1:1. Es wird also ein Objektfeld formatfüllend erfasst, das so groß ist, wie der APS-Sensor (14,9 x 22,3 mm). In diesem Modus können alle Entfernungen bis Unendlich eingestellt werden.
Wählt man am Objektiv Super Macro, erreicht man Maßstäbe von von 1:1,4 bis maximal 1,2 : 1. Beim Maßstab 1,2 : 1 ist das Objektfeld nur noch 17,1 x 11,4 mm groß und wird leicht vergrößert auf den Sensor gebannt. In diesem Modus bewegt man sich in einem Entfernungsbereich von 11 cm bis 9,3 cm.
Dabei kommt man wegen der kurzen Brennweite sehr nah ans Objekt heran. Die kürzeste Einstellentfernung von 9,7 cm bei Super-Macro-Aufnahmen hört sich gar nicht dramatisch an – gilt aber ab Sensorebene der Kamera. Von der Vorderkante des Objektivs ist das Motiv dann aber nur noch 1,7 cm entfernt. Bei Aufnahmen mit Maßstab 1:1 ist die Sache etwas besser, aber nicht viel besser. Die Einstellentfernung ab Sensor beträgt 9,3 cm und der freie Arbeitsabstand liegt bei nur noch 1,2 cm. Benutzt man die mitgelieferte Steulichtblende, schrumpft der Arbeitsabstand um weitere 0,5 cm.
Im Namen findet man noch die Abkürzungen IS und STM.
IS steht wie immer bei Canon für Image Stabilizer, also für den eingebauten Bildstabilisator. Bei einem Abstand von rund 2 m konnte ich mit der EOS M3, einem 24-Megapixel-Modell, unverwackelte Aufnahmen mit 1/4 Sek. erzielen. Im Nahbereich mit einem Abstand von rund 20 cm (ab Sensorebene) und 1/8 Sek. zeigten 5 von 10 Aufnahmen keine Spuren von Verwacklung. In der Praxis ist aber trotzdem ein Stativ zu empfehlen, wenn man sehr kleine Motive groß ins Bild holen will.
STM bedeutet Tepping-Motor. Der Schrittmotor arbeitet bei der automatischen Scharfstellung sehr leise und mit der EOS M3 auch flott (wenn die neueste Firmware 1.1.0 installiert ist). Beim Problem mit dem langsamen Autofokus, das der EOS M immer wieder angekreidet wurde, wurde deutlich nachgebessert.
Der Motor ist auch beim manuellen Fokussieren im Einsatz und überträgt die Drehbewegungen, die keinen Anschlag bei kürzester Einstellentfernung oder Unendlich kennen, am Fokussierring auf die entsprechenden Linsen im Objektiv. Das geht erfreulich direkt und macht manuelles Scharfstellen zu einer einfachen und sicheren Sache. Die Monitorvergrößerung der EOS M3 und die Möglichkeit, Fokus Peaking zu aktivieren, tun das ihre dazu.
Das Objektiv gehört zu jenen, die man bei Nichtgebrauch kürzer machen kann. Dann misst es ab Aufnahmefläche bis zur Vorderkante 45 mm ohne Streulichtblende. Um im Standardbereich (also bis Maßstab 1:1) fotografieren zu können, muss man den Moduswahlring an einem kleinen Schalter auf der linken Seite entriegeln und bis zur ersten Rastung drehen. Dabei wird das Objektiv 60 mm lang. Für Aufnahmen im Super Macro Modus wird der Ring noch einmal entriegelt und in die entsprechende Position gedreht. Dabei wird es um einen weiteren Millimeter länger. Setzt man die Streulichtblende an, kommen zu genannten Werten nochmal 5 mm hinzu.
Beim Fokussieren selbst ändert sich die Länge des Objektivs dann nicht.
Der Durchmesser liegt bei 61 mm.
Ohne Streulichtblende wiegt das “nackte” Objektiv 128 g, mit Streulichtblende sind es 138 g. Der vordere Objektivdeckel bringt 8 g, der hintere 16 g auf die Waage.
Der angesprochene Moduswahlring liegt hinten, ist 23 mm breit und auf einer Breite von 16 mm sehr fein, aber durchaus griffig geriffelt. Davor liegt der 10 mm breite Fokussierring. Die ebenfalls sehr fein geriffelte Fläche ist nur 4 mm schmal, aber man kommt beim manuellen Scharfstellen sehr gut damit zurecht.
Es gibt nur zwei Einstellelemente. Das eine ist die Entriegelungstaste für den Moduswahlring und ist im Ring angeordnet. Das zweite ist ein Druckknopf im glatten, hinteren Segment des Tubus und ist mit einem Lampensymbol gekennzeichnet. Um es gleich hier zu sagen: Dass der Knopf mit der Oberfläche des Tubus bündig abschließt, ist nicht gut. Das sieht zwar gut aus, aber es wäre besser, wenn er etwas erhaben wäre und sich besser ertasten ließe, wenn die Kamera am Auge ist.
Wofür ist dieser Knopf gut? Mit ihm schaltet man die eingebaute LED-Makroleuchte des Objektivs ein und um. Sie umgibt die Frontlinse. Hinter dem weißen Abdeckring sind zwei etwa viertelkreisförmige LED-Elemente untergebracht. Ein kurzer Druck auf den Knopf schaltet die beiden LEDs auf volle Leistung, ein zweiter kurzer Druck auf reduzierte Leistung. Ein langer Druck aktiviert die linke LED mit voller Leistung, ein zweiter Druck (nun nur kurz) reduziert die Leistung, beim dritten Mal drücken wird auf die rechte LED mit voller Leistung umgeschaltet und der vierte reduziert deren Leistung.
Damit ist es möglich, trotz der oben angesprochenen geringen Entfernung zwischen Frontfassung und Motiv für eine ordentliche Ausleuchtung zu sorgen. Durch die Möglichkeit, die beiden LEDs gemeinsam oder getrennt zu nutzen, kann man beeinflussen, wie Licht und Schatten das Objekt modellieren.
Ein Blick auf den Monitor der Kamera zeigt schon sehr schön, wie das Ergebnis ausfällt – und dass es (natürlich) Probleme gibt, wenn das Objektiv eine glänzende Oberfläche hat, in der sich das Licht der LEDs spiegelt.
Apropos spiegeln: Der weiße Abdeckring kann sich auch denn im Motiv spiegeln, wenn die LEDs nicht eingeschaltet sind. Um das zu verhindern, ist die Streulichtblende so konstruiert, dass der Ring dahinter verschwindet. Um kurz bei der Streulichtblende zu bleiben: Sie ist mit einem Filtergewinde ausgestattet, das 43-mm-Einschraubfilter aufnimmt. Wer schon das 22-mm-Pancake besitzt und dazu einige Filter, kann diese auch für das Makroobjektiv nutzen.
Wie hell sind die LEDs? Ich habe sie aus einer Entfernung von 20 cm im dunklen Raum auf eine Graukarte scheinen lassen. Die Belichtungsmessung ergab Blende 5,6 und 1/3 Sek. bei ISO 100.
Was bringen die LEDs? Sie bringen Licht aufs Motiv. Zusammen sorgen sie für eine ausgeglichene Ausleuchtung mit minimalen Schatten, einzeln machen sie Strukturen durch Licht und Schatten sichtbar. Das ist eine sehr praktische Sache.
Übrigens: Ganz neu ist die Sache mit einem eingebauten Makrolicht nicht. Es gab z. B. von den frühen 80er Jahren bis in die späten 90er drei verschiedene Typen der Yashica Dental Eye. Es waren SLR-Kameras mit fest eingebauten Objektiven, die einen integrierten Ringblitz aufwiesen. Die Dental Eye-Kameras wurden besonders für den Einsatz bei Ärzten und Zahnärzten empfohlen, kamen aber auch bei Makro-Fans zum Einsatz.
Abbildungsleistung
Das Auflösungsvermögen des Objektivs ist in der Mitte bei ganz offener Blende schon hervorragend, wird durch Abblenden einen Tuck besser und bleibt so bis Blende 8. Bei 11 lässt das Auflösungsvermögen minimal nach – was aber nur zu sehen ist, wenn man ein Motiv mit sehr feinen Details aufnimmt und die Bilder auf dem Monitor nebeneinander betrachtet oder schnell zwischen ihnen wechselt. Bei Blende 16 ist der Effekt etwas deutlicher, bei Blende 22 deutlich zu erkennen. Allerdings bleibt die Leistung dabei im sehr guten und guten Bereich.
Am Bildrand bietet sich von Blende 3,5 bis 11 dasselbe Bild, das heiß, die Leistung ist über das Bildfeld gleichmäßig. Bei Blende 16 und 22 ist dann ein leichter Abfall zwischen Mitte und Rand zu sehen, wenn das Motiv entsprechend aufgebaut ist.
Wenn etliche Nah- und Makroaufnahmen unscharf wirken, liegt das daran, dass sie wirklich zu einem großen Teil unscharf sind. Die Schärfenzone ist bei den großen Abbildungsmaßstäben nämlich extrem schmal, auch denn, wenn man kräftig abblendet. Umso wichtiger ist es, sich Zeit zu nehmen und die Schärfenebene dorthin zu legen, wo man sie braucht.
Vignettierung spielt eine minimale Rolle bei Blende 3,5, wenn man einen gleichmäßig hellen, einfarbigen Hintergrund im Bild hat, ist aber bei Blende 4 schon nicht mehr störend.
Die Farbsäume der chromatischen Aberration spielen in der Praxis keine Rolle. Wer sehr schmale Säume sehen will, muss auf dem Monitor schon ins Bild hineinzoomen.
Reflexe fielen in unseren Testbildern nicht auf.
Alles in allem
ist das EF-M 3,5/28 mm Macro IS STM wieder einmal ein wirklich innovatives Canon Objektiv. Es zeigt, dass die spiegellosen Systemkameras wohl doch mehr sind, als nur ein Stiefkind der Entwickler, die bei Canon ja immer noch sehr mit DSLR-Technik befasst sind. Ob während der anstehenden photokina auch bei den CSCs von Canon Neuheiten zu sehen sein werden, ist ungewiss. Sicher ist aber, dass das „Objektiv mit der Lampe“ eine tolle Sache ist und als „sehr vielseitiges Standard-Objektiv mit ausgeprägter Makrofähigkeit“ sehr viel Spaß macht.
Text und Fotos (c) Herbert Kaspar
GUT – SEHR GUT – HERVORRAGEND – HERVORRAGEND PLUS
Praxisbilder (mit Canon EOS M3)
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Alle Bilder sind unbearbeitete JPEGs aus der Kamera.
Beachten Sie bitte, dass die Bildqualität, besonders die Farbwiedergabe, auch von den Einstellungen Ihres Monitors abhängt!
… im Nah- und Makrobereich
… im normalen Entfernungsbereich
Alle Bilder (c) Herbert Kaspar
Blendenreihe (mit Canon EOS M3)
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Das Objektiv kann hier für 351,19 € bestellt werden. (Stand 6. August 2016)