Welche Brennweite hat das Objektiv denn nun? Die mit Crop, die ohne Crop und wenn ja, warum gibt es den Crop-Faktor überhaupt? Schauen wir einmal …

Schon früher gab es Systemkameras für unterschiedliche Aufnahmeformate. Die wichtigsten waren Kleinbild 24 x 36 mm (damals nannte man bei Fotoformaten den kleineren Wert zuerst) und verschiedene Mittelformate. Man konnte aber ein Mittelformatobjektiv nicht einfach mal so an einer KB-Kamera einsetzen (mit passenden Adaptern schon, aber eben nicht einfach so). Entsprechend gab es keinen Grund, sich über Crop-Faktoren Gedanken zu machen, obwohl allen bewusst war, dass Standardobjektive mit einem typischen Bildwinkel von rund 47° bei KB-Kameras eine Brennweite von 50 mm haben, bei 6×6-cm-Mittelformatkameras von 80 mm.

Mit der Entwicklung der Digitalfotografie ist die Reihe der Formate länger geworden.

Aktuell im Angebot sind spiegellose Systemkameras und DSLRs mit 

> 45 x 30 mm | Mittelformat von Leica
> 44 x 33 mm | Mittelformat von Fujifilm, Pentax
> 36 x 24 mm | Vollformat von Canon, Leica, Nikon, Panasonic, Pentax, Sigma, Sony
> 23,2 x 15,4 mm | APS-C von Fujifilm, Leica, Nikon, Pentax, Sony
> 22,3 x 14,9 mm |APS-C von Canon
> 17,3 x 13 mm | mFT von Olympus und Panasonic

Die exakten Werte können je nach Kamera um Zehntelmillimeter abweichen.

Dazu kommt eine ganze Reihe von kleineren und sehr viel kleineren Formaten, bei All-in-One- und Kompaktkameras sowie Smartphones.

Alle Objektive im Bild sind Standardobjektive mit einem Bildwinkel von rund 47°. Je nach System weisen sie Brennweiten von 25 mm (mFT), 35 mm (APS-C), 50 mm (Vollformat) und 63 mm (Mittelformat) auf. Die unterschiedlichen Größen kommen zum einen daher, dass unterschiedlich große Bildkreise ausgeleuchtet werden müssen, zum anderen daher, dass die Lichtstärken verschieden sind.
Da der ursprünglich weiße Hintergrund ein bisschen langweilig erschien, habe ich in Photoshop einen Himmel eingefügt,

Die sogenannte Standardbrennweite orientiert sich in etwa an der Diagonalen des Aufnahmeformates. Sie beträgt bei einem Kleinbildnegativ oder -dia bzw. bei einem Vollformatsensor mit den Abmessungen 36 x 24 mm etwa 43 mm, beim 6×6-cm-Mittelformat mit einer echten Aufnahmefläche von rund 56 x 56 mm ist sie 79 mm lang.

Wenn nun Standardobjektive immer einen Bildwinkel von rund 47° aufweisen, ihre Brennweite aber von der Diagonale des Formats abhängt, erhält man eine Reihe von Objektiven, die trotz unterschiedlicher Brennweiten alle denselben Bildwinkel abdecken, also denselben Bildausschnitt zeigen.

Wichtig: Hier geht es um den Bildwinkel / der Bildausschnitt. Objektive, die an Kameras mit kleinerem Sensor denselben Bildausschnitt zeigen, wie ein Objektiv an einer Vollformatkamera, weisen wegen der kürzeren Brennweite eine größere Schärfenzone auf!

Die auf den entsprechenden Objektiven angegebenen Brennweiten sind in der Regel* die echten Brennweiten. Wenn also auf einem mFT-Objektiv als Brennweite “25 mm” angegeben ist, beträgt die Brennweite 25 mm – aber der Bildwinkel entspricht einem 50-mm-Vollformatobjektiv. (* Ausnahmen gibt es bei manchen Bridge- und Kompaktkameras, die auch die Vollformat-Äquivalentbrennweite nennen. Das erleichtert zum einen die Einordnung des Objektivs, sorgt aber auch für Verwirrung.)  

Um hier die Orientierung zu erleichtern, kommt der Crop-Faktor ins Spiel. Man ermittelt ihn, indem man die Länge der Diagonale des KB-/Vollformates durch die Länge der Diagonale des kleineren Sensors dividiert und erhält dabei folgende Werte:

> Mittelformat | 0,7x – 0,8x | Standardbrennweite um die 65 mm
> Vollformat | 1x | Standardbrennweite 50 mm
> APS-C | 1,5x – 1,6x | Standardbrennweite um die 33 mm
> mFT | 2x | Standardbrennweite 25 mm

Multipliziert man die echte Brennweite mit dem Crop-Faktor, so ergibt sich die Brennweite, die man an einer Vollformatkamera nutzen muss, um denselben Bildwinkel abzudecken.

Das gilt natürlich nicht nur bei den oben als Beispiel angeführten Standardobjektiven, sondern bei allen Brennweiten.

Die Angabe des Crop-Faktors kommt besonders all jenen Fotografinnen und Fotografen zugute, die mit KB-Objektiven aufgewachsen sind. Sie verbinden beispielsweise mit 18 mm Brennweite ein Superweitwinkelobjektiv, aber diese 18 mm wirken an einer APS-C-Kamera mit Crop 1,5x so, wie 27 mm Brennweite an einer Vollformatkamera und an einer mFT-Kamera wie 36 mm an einer Vollformatkamera.

Bei gleicher Brennweite (grün) erfasst ein kleiner Sensor (grau) einen kleineren Ausschnitt des Motivs, als ein großer Sensor (schwarz+grau).

Je größer ein Sensor ist, desto länger ist die echte Brennweite, die man braucht, um einen bestimmten Bildwinkel zu erfassen.

Je kleiner ein Sensor ist, desto kürzer ist die echte Brennweite, die man braucht, um einen bestimmten Bildwinkel zu erfassen.

Der Crop-Faktor muss auch berücksichtigt werden, wenn man Vollformatobjektive an einer Kamera mit kleinerem Sensor verwendet. Der kleinere Sensor nutzt ja nur einen Teil des zur Verfügung gestellten Bildkreises. Das Objektiv verändert dabei nicht (nicht!) seine Brennweite, es wirkt aber so, wie ein Objektiv mit einer um den Crop-Faktor längeren Brennweite an einer Vollformatkamera.

Was bewirkt der Crop-Faktor in der Praxis?

Das Bild entstand mit 16 mm Brennweite an einer Vollformatkamera. Mit 16 mm Brennweite würde eine APS-C-Kamera nur einen Ausschnitt des Motivs erfassen. Um es mit einer APS-C-Kamera ebenso aufnehmen zu können, wäre eine Brennweite von rund 11 mm nötig.In der Frühzeit der DSLRs waren APS-C-Sensoren am weitesten verbreitet, aber es gab erst mal keine und dann wenige speziell dafür gerechnete Objektive mit sehr kurzen Brennweiten. Wer damals den Bildwinkel eines 17-mm-Vollformatobjektivs an einer APS-C-Kamera nutzen wollte, musste sich nach einem Vollformatobjektiv mit rund 12 mm Brennweite umschauen, um die Aufnahmen machen zu können. Das hat sich sehr geändert und man findet Ultraweitwinkel für APS-C- und mFT-Kameras.

Für dieses Bild kamen 300 mm Brennweite an einer Vollformatkamera zum Einsatz. Mit einem 300er an einer mFT-Kamera wäre die Giraffe formatfüllend aufgenommen worden. Um das zu erreichen wäre für die Vollformatkamera ein Objektiv mit rund 600 mm nötig. Dass Vollformat und mFT unterschiedliche Seitenverhältnisse haben (3:2 und 4:3) vernachlässigen wir hier einfach mal.

Wer gern mit sehr engen Bildwinkeln fotografiert, kann zum einen mit einer APS-C- oder mFT-Kameras dafür gerechnete Objektive einsetzen, die kleiner und leichter sind als entsprechende Objektive für Vollformatkameras. Zum anderen können an einigen Kameras mit kleinen Sensoren langbrennweitige Vollformatobjektive aus demselben Systems direkt angesetzt werden. Durch den Crop-Faktor wird der Bildwinkel enger … und (auch nicht zu verachten) es wird nur Mitte des Bildkreises genutzt, wo die Abbildungsleistung am besten ist.

Im Zusammenhang mit dem Crop-Faktor ist nur noch selten, aber immer wieder einmal von der „Brennweitenverlängerung“ die Rede, die es eben nicht gibt. Wenn man das Wort „Brennweitenverlängerung“ verwenden möchte,  dann wenigstens als „scheinbare Brennweitenverlängerung“ oder, wie es bei d-pixx foto heißt, Brennweite [@KB].

Um Missverständnisse zu vermeiden: „Brennweitenverlängerung“ ist in allen Formaten möglich. Man benötigt dazu einen Telekonverter.

 

Text und alle Bilder © Herbert Kaspar

10 Kommentare

  1. Sehr gute Erklärung und ja, man sollte es richtig ausdrücken!
    Wir waren heute Morgen früh jeweils mit 500mm auf "Pirsch" ich mit der R5 und meine Frau mit der R7….sie kam einfach näher ran 😇
    Dafür kann ich mit größerer Auflösung wohl mehr Ausschnitt machen, was es dann fast wieder ausgleicht!
  2. @Eisbär2

    Konverter für Altglas sollte man nur verwenden, wenn das alte Objektiv solo eine top Leistung bringt und man einen Konverter findet, der auf das alte Objektiv zugeschnitten ist. Gab es auch früher schon für lange Teleobjektive. Diese Abstimmung ist bei Allround-Konvertern natürlich nicht der Fall und die Abbildungsleistung schwankt von Grundobjektiv zu Grundobjektiv.

    Ein 1,4x Konverter schluckt nur eine Blende … damit kann man leben und die Brennweite eines z. B. 200ers geht immerhin auf 280 mm. Ein 2x Konverter bringt da zwar 400 mm, aber die Lichtstärke sinkt um 2 Stufen und wenn man abblendet hat man statt Blende 8 plötzlich Blende 16 mit entsprechend langer Verschlusszeit.