Aktuell hat Nikon zwei Vollformat-Superzooms im Programm. Das Nikkor Z 24-200 mm 1:4-6,3 VR war neulich mit in München.
2018 stellte Nikon die Z 6 und die Z 7 vor, die beiden ersten spiegellosen Systemkameras des Unternehmens – genauer gesagt die beiden ersten spiegellosen Vollformat-Systemkameras. Vorher gab es ja schon die Serie 1, Winzlinge mit 1“-Sensoren und beachtlicher Leistung, die sich aber nicht durchsetzen konnten.
Mit der Z 6 und Z 7 wurden 3 (in Worten: drei) Objektive vorgestellt. Das hat sich dramatisch verändert. Heute umfasst das Angebot der Z-Nikkore 22 Festbrennweiten und 14 Zooms fürs FX-Format (Vollformat) sowie 5 Objektive für das DX-Format (APS-C).
Seit März gehört das Nikkor Z 28-400 mm 1:4-8 VR zum Angebot und macht dem Nikkor Z 24-200 mm 1:4-6,3 VR Konkurrenz, das seit 2020 im Programm ist. Beide konnten bereits in unseren Tests überzeugen (Hervorragend++ für das Z 28-400 mm, Hervorragend+ für das Z 24-200).
Welches der beiden man bevorzugt, hängt in erster Linie davon ab, ob ein weiterer Bildwinkel oder eine längere Brennweite wichtig sind. Wer bis 400 mm zoomen möchte (oder an einem der DX-Modelle bis 600 mm [@KB]) nimmt dann auch in Kauf, dass dieses Zoom größer und schwerer ist.
Für einen Trip nach München, wo die neue Nikon Z 6III vorgestellt werden soll (das Testmuster wird täglich erwartet, Stand 28. Juni 2024), entscheide ich mich für das Z 24-200 an der Nikon Z 6II.
Wir, meine Frau und ich, haben ein paar Jahre im Norden Münchens gewohnt und wollten die Gelegenheit nutzen, mal wieder für wenigstens eine oder zwei Stunden durch den Olympia-Park zu bummeln. Und für das Stadion mit seinem weltberühmten Zeltdach, den Olympiaturm und den weitläufigen Park sind dann 24 mm Anfangsbrennweite doch interessanter als 28 mm … Brennweiten bis 400 mm werden hier eine weniger wichtige Rolle spielen und mit 200 mm bin ich auf jeden Fall gut gerüstet.
Das Z 24-200 mm 1:4-6,3 ist nicht unbedingt zierlich. Es ist bei 24 mm Brennweite 155 mm lang und wächst bis 200 mm Brennweite auf 217 mm – aber das ist kein Problem, da die schweren Linsengruppen hinten im Objektiv sind und sich beim Zoomen das Gleichgewicht so gut wie nicht ändert. Die Längen gelten mit aufgesetzter 4-Segment-Streulichtblende! Sie wird mitgeliefert, was einen Daumen hoch wert ist, und lässt sich zum Transport umgedreht ins Bajonett drehen.
Beim Bummel durch den Olympiapark kann ich den gewünschten Bildausschnitt in jeder Situation am geschmeidig laufenden breiten Zoomring schnell und exakt einstellen. Eine Drehung um 90° genügt, um den Zoombereich zu durchfahren.
Und in jeder Situation kann ich mich auf den Autofokus verlassen. Das liegt natürlich nicht nur am Zoom mit dem schnellen leisen Motor, sondern in erster Linie am AF-System der Z 6II (zu dem auch der gut positionierte Knubbel-Joystick gehört, mit dem sich das AF-Messfeld positionieren lässt).
Natürlich könnte ich am hinten liegenden Einstellring auch manuell fokussieren. Aber warum sollte ich. Und so verwende ich den Ring, der mit den ersten Z-Nikkoren eingeführt wurde, lieber als Blendenring. Leider fehlt da die Klickfunktion, aber das Leben ist kein Ponyhof. Das gilt auch für die Lock-Taste, mit der man den Zoomring in der 24-mm-Position arretieren kann. Schön wäre, wenn man ihn in jeder der angegebenen Brennweiten (24 – 35 – 50 – 70 – 105 – 135 – 200) feststellen könnte, um zwischendurch Serien mit einer „Festbrennweite“ aufnehmen zu können.)
HINWEIS Mit einem Klick auf eines der Praxisbilder holen Sie es sich in einer Größe von 1800 Pixeln Breite auf Ihren Monitor.
Der Bummel durch den Olympiapark gestaltet sich dann anders als geplant.
Zum einen ist der Olympiaturm gesperrt und Aufnahmen aus der Vogelperspektive sind ausgeschlossen. (Und dabei hatte ich mich gefreut, wieder einmal mit dem rasend schnellen Aufzug nach oben zu sausen. Wie war das mit dem Ponyhof?)
Zum anderen laufen die Vorbereitungen für die Fußball-EM auf vollen Touren. Überall stehen Autos der Firmen herum, die etwas aufbauen – vom Kinderkarussell …
…bis zur riesigen Werbetafel …
… und überall liegt Material herum, wie dieses Netz, für das ich das Z 24-200 voll ausfahre und den roten Störer auf einen Schnittpunkt von Drittellinien lege.
Besucherinnen und Besucher eine Fußballspiels haben viel Durst und Hunger und an jeder Ecke schieben sich fahrbare Bars …
… und Foodtrucks ins Bild.
Apropos Foodtrucks. Der Appetit kommt beim Essen und die Ideen für Fotoserien beim Fotografieren. So auch im Olympiapark.
Zugegeben: Der 291 m hohe Olympiaturm kann in Sachen Ästhetik mit dem immer noch faszinierenden Zeltdach des Stadions nicht mithalten, das sich …
… über immergrünen Plastiksitzen des Stadions, der Schwimmhalle, der Olympiahalle und Freiflächen spannt und in der Übersicht …
… und im Ausschnitt wirkt, der sich mit der langen Brennweite des Z 24-200 ins Bild zirkeln lässt.
(Als ich das Ensemble so anschaue, stelle ich mir vor … schaudernd vor, die Verantwortlichen von BER und Stuttgart21 wären Anfang der 70er Jahre für die Olympiaanlagen aktiv gewesen. Die Leichtathletikwettbewerbe hätten 1972 ins 1860er-Stadion verlegt werden und die Schwimmer in die Isar ausweichen müssen …)
Der 291 m hohe Olympiaturm ist aber das von allen Seiten sichtbare Wahrzeichen des Parks, schiebt sich immer wieder ins Blickfeld und ich entscheide mich spontan, eine kleine Serie mit dem Turm im Mittelpunkt, aber immer anderem Umfeld, aufzunehmen.
Beim Weg durchs Gelände vor der Schwimmhalle, um den See und hinauf den Gipfel des Olympiaberges genieße ich es, alle Brennweiten von 24 mm bis 200 mm zur Verfügung zu haben, ohne das Objektiv wechseln zu müssen.
Nikon Z 6II ans Auge nehmen, am Zoomring drehen, bis der Bildausschnitt stimmt, Auslösen … fertig.
Und hier ein Dutzend Bilder, die beim Rundgang entstanden und von denen allerdings nur vier im Hochformat sind. Dass hohe Gebäude im Hochformat aufgenommen werden müssen, ist einfach nicht richtig.
So imposant der Turm ist und so schön er vor dem bayerisch weiß-blauen Himmel steht … so ganz allein ist er kein wirklich tolles Motiv.
Mitgenommen werden muss es trotzdem, schon der stürzenden Linien wegen, die von der Form des Turms unterstützt werden und die Höhe spürbar machen.
Aber im Zusammenspiel mit anderen Bildelementen wirkt der Turm besser.
So ist er hier im Duett mit einer Laterne zu sehen (könnte auch zum Quadrat geschnitten werden) …
… und hier in verschiedenen Kombinationen mit dem, wie schon erwähnt, immer noch faszinierenden Zeltdach.
Der Olympiapark wird nicht nur von den Münchnern als Naherholungsgebiet genutzt, sondern auch von vielen Touristen frequentiert, und unter Einheimischen und Besuchern aus aller Herren Länder sind viele Pärchen.
Dafür ist die Anzahl der Liebesschlösser an der Brücke überschaubar. (Vielleicht werden sie auch regelmäßig entsorgt?) Als Vordergrund für den in Unschärfe verschwimmenden Turm reichen sie aber. Das Zoom hat bei 24 mm die größte Öffnung von 1:4 (für ein Superzoom ein sehr guter Wert, aber wenn ich sie nutze, wird der Turm zu unscharf. Also: Blende 9. Frage: Soll ich den Turm mit der Strebe des Gitters in Deckung bringen? Warum eigentlich nicht … Hier zeigt sich auch, dass Verzeichnung keine Rolle spielt.
Von hier aus bietet sich gleich noch die Spiegelung als Motiv für verschiedene Brennweiten an.
Beim Aufstieg (es ist wirklich recht steil) auf den 564 m hohen Olympiaberg kommen nicht nur Olympiadach und -turm ins Bild, sondern auch das Vier-Zylinder-BMW-Hochhaus und viel Himmel ohne Vignettierung.
Oben befindet sich die Startstation einer Seilrutsche, mit der Wagemutige über den See ans andere Ufer gleiten (und dabei nach Herzenslust quietschen) können. Die blaue Verkleidung lässt sich als Vordergrund nutzen.
Rahmen um Bilder sind fast immer ein No-go. Rahmen im Bild dagegen eine interessante Möglichkeit, das Bild zu gestalten.
Solche Rahmen finde ich im „Ufer“ einer Pfütze, in der sich die Turmspitze spiegelt …
… und immer wieder in schönen Baumgruppen, die als verspielte Gegensätze zum technisch-geradlinigen Turm dienen können.
TEXT UND ALLE BILDER © HERBERT KASPAR