Zwar ist das Sigma 100-400 mm 1:5-6,3 DG DN OS | Contemporary schon rund ein Jahr auf dem Markt, aber immer noch einen Praxistest wert. Nun denn …
Das Sigma 100-400 mm 1:5-5,3 DG DN OS| Contemporary macht durch seine Namenszusätze klar, um welchen Objektivtyp im Sigma Programm es sich handelt.
Das Kürzel „DG“ wurde eingeführt, um Objektive zu kennzeichnen, die für digitale Vollformat-Spiegelreflexkameras geeignet sind. (Im Gegensatz dazu steht „DC“ für Objektive für DSLR-Kameras mit kleineren Sensoren.)
Die Erweiterung „DN“ kam dazu, als Objektive für spiegellose Systemkameras vorgestellt wurden.
„DG DN“ heißt also, dass das 100-400 mm für den Einsatz an spiegellosen Vollformatkameras konzipiert ist. Es steht mit dem L-Mount (für Kameras von Leica, Panasonic und Sigma) und dem E-Mount für Kameras von Sony zur Verfügung. Ob es einmal Objektive für Canon EOS R und Nikon Z Modelle geben wird, hängt davon ab, ob diese Hersteller die Verwendung ihrer eignen Bajonette für andere Anbieter freigeben. Die Variante mit Sony E-Mount kann auch an Sony Modellen mit APS-C-Sensor eingesetzt werden und bietet dann den Bildwinkelbereich wie ein 150-600 mm an einer Vollformatkamera.
„Contemporary“ heißt eine der drei Objektivfamilien, die Sigma 2012 einführte. In der „Art“-Familie sind die State-of-the-Art-Objektive, die durch hohe Abbildungsleistung im Zusammenspiel mit hohen Lichtstärken überzeugen (parallel im Test das Sigma 35 mm 1:1,4 DG DN | Art) – dafür aber auch schwer und teuer sein dürfen. „Sports“ umfasst robuste langbrennweitige Objektive, die trotz des Namens auch in anderen Motivbereichen eine sehr gute Figur machen. „Contemporary“ schließlich ist die Familie, deren Mitglieder einen Kompromiss zwischen top Abbildungsleistung und reduziertem Gewicht suchen, dabei in Sachen Lichtstärke nicht ganz oben angesiedelt sind und deren Rechnung die Möglichkeiten einschließt, die moderne Kameras mit ihren Korrekturfunktionen bieten.
Ein Kürzel, das auf eine wichtige Funktion für ein langes Teleobjektiv hinweist – nämlich „OS“ für den „Optical Stabilizer“ – steht zwar im offiziellen Namen (etwa auf der Sigma Homepage) fehlt aber auf dem Objektiv.
Zum Objektiv.
Auch wenn, wie gesagt, bei Contemporary Objektiven auch auf die Größe und das Gewicht geachtet wird, ist das 100-400 mm einerseits weder sehr klein noch sehr leicht, andererseits aber doch, wenn man den Brennweitenbereich bedenkt.
In diesem Zusammenhang spielt dann auch die Lichtstärke eine Rolle. Bei 100 mm liegt sie bei 1:5 und sinkt dann bis zur längsten Brennweite um 2/3 Stufen auf 1:6,3. Das sind natürlich keine Höchstwerte, aber für ein solches Supertelezoom im praxisgerechten Bereich.
Das Gewicht mit Streulichtblende beträgt 1205 g.
Bei den beiden Einstellringen beträgt der Durchmesser 84 mm, der Aufbau für die Einstellelemente macht den Tubus in der Mitte rund 5 mm breiter. Der Filterdurchmesser liegt bei 67 mm.
Die Länge ändert sich beim Zoomen. Ohne aufgesetzte Streulichtblende wächst es von rund 197 mm auf 275 mm, wobei die Frontfassung nicht rotiert. Aufnahmen mit orientierungssensitiven Filtern erfordern kein Nachjustieren, wenn man zwischen zwei Aufnahmen zoomt.
Mit der mitgelieferten Streulichtblende wird das Objektiv um 63 mm länger. Alle Längenangaben beziehen sich auf den Abstand zum Bajonett.
Vorne am Tubus ist der breite Zoomring angeordnet. Er kann mit der LOCK-Taste in der 100-mm-Position verriegelt werden, um zu verhindern, dass das Zoom beim Tragen ungewollt länger wird. Die klassischen Telebrennweiten 100 – 135 – 200 – 300 – 400 (mm) sind auf den Ring aufgetragen, der um etwas mehr als eine Viertel Umdrehung gedreht werden muss, um den Bereich zu durchfahren. Die Wahl der passenden Brennweite geht gut und sicher – etwas (!) weniger Widerstand beim Drehen wäre aber angenehm.
Wer schnell die Brennweite ändern möchte, kann das 100-400 auch als Schiebezoom verwenden. Ein beherzter Griff an die Streulichtblende macht es möglich.
Der deutliche schmalere Fokussierring ist hinten am Tubus. Er ist, wie der Zoomring, griffig geriffelt. Wenn man ihn braucht, dreht er sich geschmeidig. Man muss aber ordentlich „kurbeln“, um von Unendlich zur Naheinstellgrenze zu gelangen. Sie wächst beim Zoomen von 112 cm auf 160 cm. Mit der längsten Brennweite wird dann ein größter Abbildungsmaßstab von 1:4,1 erreicht! Damit sind keine echten Makro- aber doch sehr schön Nahaufnahmen zu realisieren. Der Ring wirkt auf den AF-Motor und dreht sich leider, wie bei sehr vielen Objektiven, ohne Anschlag.
Der Fokussierring wird nicht oft zum Einsatz kommen. An einer top-aktuellen Sigma fp L und einer Panasonic Lumix S5 brachten die jeweiligen AF-Systeme das Objektiv schnell und exakt in die Schärfe. Dank des AF-Schrittmotors ist davon fast gar nichts zu hören. Dank Innenfokussierung ändert sich die Länge des Objektive beim Scharfstellen nicht!
Zwischen den Ringen sind auf einer Ausbuchtung nach links drei Schiebeschalter untergebracht. Man kann
- zwischen AF- und MF-Betrieb wechseln
- unter drei Fokussierbereichen wählen (Full / Unendlich bis 6 m / 6 m bis zur Nahgrenze)
- zwischen Allround-Stabilisator und Stabilisator für Mitziehaufnahmen wechseln.
Dazu kommt die AFL-Taste, die man abhängig vom Kameramodell mit verschiedenen Funktionen belegen kann.
Ganz hinten am Objektiv, bevor es sich zum Bajonett hin verjüngt, umgibt ein Gummiring den Tubus. Man kann ihn nach hinten abziehen. Damit werden vier Noppen frei gelegt, die gebraucht werden, um der drehbaren Stativschelle Führung zu geben. Die Stativschelle TS-111 ist leider nicht im Lieferumfang enthalten und kostet als Zubehör im Sigma Shop 129,- €. Das ist nicht wenig für einen Ring und einen kurzen Fuß – aber der Betrag ist gut angelegt. Bei Stativaufnahmen ohne die Schelle mit dem sehr kräftigen und belastbaren Stativkopf Novoflex Classic Ball 5 II musste ich, die Friktion weit nach oben ziehen, um ein Absinken der deutlich frontlastigen Aufnahmeeinheit zu verhindern.
Der Tubus besteht zum Teil aus Magnesiumlegierung, zum Teil aus Kunststoff. Eine vollständige Abdichtung gegen Staub und Spritzwasser fehlt, aber es gibt einen Dichtungsring am Bajonett.
Das Zoom ist kompatibel zu den Telekonvertern TC-1411 und T-2011, die die Brennweiten um den Faktor 1,4x bzw. 2x verlängern und zu einem Lichtverlust von 1 bzw. 2 Blendenstufen führen. Außerdem passt das 100-400 zum USB-Dock DU-11, um die Firmware auf den neuesten Stand bringen und Feinabstimmungen vornehmen zu können.
Dass der Autofokus mit dem beiden Kameras im Praxistest bestens zusammenarbeitete, wurde bereits angesprochen.
Mit aktivierten Stabilisatoren des Objektivs und der Panasonic Lumix S5 konnte ich unverwackelte Freihandaufnahmen bis zur 1/15 Sek. (und mit geringerer Trefferquote auch bis hin zur 1/8 Sek.) machen. In dieser Kombination gleicht das Objektiv horizontale und vertikale Bewegungen aus, der Stabilisator im Gehäuse wirkt gegen Drehbewegungen.
Das Zoom ist hinsichtlich Auflösung und Kontrast in der Bildmitte schon bei ganz offener Blende bei den kürzeren Brennweiten hervorragend / sehr gut und lässt zu den längsten Brennweiten nur sehr wenig nach. Das gilt sowohl für die 24-MPix-Kamera Panasonic Lumix S5 wie auch für die Sigma fp L mit ihrem hochauflösenden 60-MPix-Sensor.
Lohnt es sich also gar nicht, abzublenden? Doch, denn eine etwas größerer Schärfenzone sorgt dafür, dass das Bild schärfer wirkt.
Abblenden um eine oder zwei Stufen bringt immer nur eine geringe Steigerung. Ab Blende 11 kommt bei den kürzeren, ab Blende 16 bei den längeren Brennweiten die Beugung ins Spiel und sorgt für weichere, aber durchaus verwertbare Bilder, vor allem, wenn man bei der RAW-Entwicklung mit dem Schärferegler spielt.
Die Bildecken sind bei ganz offener Blende nur etwas weicher als die Mitte und immer noch im hervorragenden / sehr guten Bereich. Auch hier bringt Abblenden nur eine geringe Verbesserung.
Vignettierung und Verzeichnung spielten bei den Praxisaufnahmen keine Rolle und die chromatische Aberration ist hervorragend korrigiert.
Das Bokeh ist weich und angenehm – wichtig, das sich die Brennweiten von 100 mm bis rund 135 mm gut für Porträts eingesetzt werden können.
Alles im allem ist das Sigma 100-400 mm 1:5-6,3 DG DN OS | Contemporay ein sehr schöner Kompromiss zwischen hoher Abbildungsleistung, Lichtstärke, Größe, Gewicht und Preis. Das Zoom ist aktuell für knapp unter 1000,- € zu haben.
BEWERTUNG FÜR DAS SIGMA 100-400 MM 1:5-6,3 DG DN OS | CONTEMPORARY
AN SIGMA FP L UND PANASONIC LUMIX S5
GUT – SEHR GUT – HERVORRAGEND – HERVORRAGEND PLUS – HERVORRAGEND DOPPEL PLUS
Text und alle Bilder © Herbert Kaspar
PRAXISBILDER
Ein Klick auf eines der Praxisbilder bringt es in der Größe von 1800 Pixeln über die lange Seite auf Ihren Bildschirm. Die Bildgröße wurde im aktuellen Adobe Photoshop reduziert.
Zu einigen Bildern zeigen wir einen entsprechend gekennzeichneten 100-%-Crop aus dem Originalbild.
Die Originalbilder aus der Sigma fp L sind 9520 x 6328 Pixel groß.
Die Originalbilder aus der Panasonic Lumix S5 sind 6000 x 4000 Pixel groß.
Beachten Sie bitte, dass die Bildqualität, besonders die Farbwiedergabe, auch von den Einstellungen Ihres Monitors abhängt!
Sigma 100-400 mm 1:5-6,3 DG DN OS | Contemporary
an der Sigma fp L
Sigma 100-400 mm 1:5-6,3 DG DN OS | Contemporary
an der Panasonic Lumix S5
[…] Im Sigma Programm gibt es bereits ein 4-fach-Telezoom mit L-Mount bzw. Sony E-Mount: Das Sigma 100-400 mm 1:5-6,3/100-400 mm DG DN OS | Contemporary (unseren Test finden Sie hier). […]