Bei den spiegellosen Systemkameras fährt Panasonic zweigleisig. Mit dem S-System wird das Vollformat-System bedient. Das G-System setzt auf Four-Thirds-Sensoren. Hier ist die Lumix G91 angesiedelt. Wir hatten sie im Test.
Die Panasonic Lumix G91 ist eine spiegellose Systemkamera aus dem microFourThirds-System und ist entsprechend mit einem 17,3 x 13 mm großen Sensor ausgestattet. Diese Größe führt zu einem Crop-Faktor von 2x. Mit einer Auflösung von 20,3 MPix ist die G91 bei den mFT-Kameras vorne dabei. Auch die Top-Modelle Panasonic Lumix G9 oder Olympus OM-D E-M1X sind auf diesem Megapixel-Niveau unterwegs.
Nachdem das geklärt ist, erst einmal zu den Äußerlichkeiten.
Das Gehäuse der G91 ist gegen das Eindringen von Staub und Spritzwasser abgedichtet und passt dadurch zum einen zu den aktuellen Objektiven aus dem Panasonic-Angebot – zum anderen aber auch zu den „großen“ Modellen und kann daher als Zweitkamera sehr gute Dienste tun.
Diese Aussage lässt schon vermuten, dass die Lumix G91 auch bei der Abbildungsleistung ganz oben mitspielen kann … aber dazu kommen wir später.
Die G91 ist weder sonderlich groß noch sonderlich klein und liegt, auch dank des gut geformten Griffs gut in der Hand. (Die Nikon Griffe mit der Fingerkuppenmulde sind noch ein kleines bisschen besser …)
Auf dem Gehäuse sind zwei Wahlräder, drei Einstellräder, ein dreistufiger Schalter und neun Tasten untergebracht. Damit kann man sehr schnell wichtige Einstellungen vornehmen. Dabei sind dann Kleinigkeiten große Hilfen. Zum Beispiel sind die drei Tasten hinter dem Auslöser unterschiedlich geformt. Erhaben: Zugang zum Weißabgleich. Glatt mit zwei kleinen Noppen: Zugang zur Empfindlichkeitseinstellung. Glatt: Zugang zu den Belichtungskorrekturfaktoren. Das ist beileibe nichts Neues – aber es soll einmal lobend erwähnt werden, weil es sich im Fotoalltag als praxisgerecht erweist.
Ebenfalls praxisgerecht sind die drei Einstellräder, je eines oben im Griffbereich des rechten Zeigefingers und Daumens und eines auf der Rückwand, das gleich noch als Vier-Richtungs-Wippe ausgelegt ist.
Die Belegung der Räder kann im Menü geändert werden. Zusätzlich lassen sich die beiden oberen Räder per Dial Operation Switch in eine zweite Einstellebene schalten, für die man beiden Rädern ebenfalls bestimmte Funktionen zuweisen kann. Damit kann man sich die Kamerabedienung backen, mit der man sehr schnell arbeiten kann.
Kleines Beispiel: Bei Zeitautomatik kann ich mit den oberen Rädern zunächst die Blende einstellen, nach einem Druck auf den Knopf im Einstellrad oben hinten habe ich Zugriff auf die Highlight/Shadow-Korrektur und die 4K-Photo-Modi. Für Belichtungskorrekturen kann ich die entsprechende Taste aus dem Trio oben verwenden oder sie direkt mit dem Rückwand-Einstellrad wählen.
Dazu kommt als sehr wichtiges Einstellelement der 3“-Monitor mit dem Quick-Menü für aufnahmerelevante Einstellungen und dem Hauptmenü für alle Einstellungen – und das sind eine ganze Menge.
Man kann z. B., und das ist nur eine sehr kleine Auswahl, interne Bildkorrekturen ein- und ausschalten; einen von zwei Modi des Bildstabilisators wählen; wenn man möchte, ein digitales Zoom zuschalten: die Funktionen für Mehrbelichtungen oder HDR-Bilder starten; WLAN und Bluetooth aktivieren; Tasten und Räder mit bestimmten Funktionen belegen; im Wiedergabemodus die Entwicklung von RAW-Dateien starten oder Bilder mit einer Bewertung versehen usw. usw.
Natürlich dient der in zwei Achsen beweglich gelagerte Rückwandmonitor auch als Sucher. Mit 3“ Diagonale und einer Auflösung von 1,04 Mio. RGB-Dots ist er auf der Höhe der Zeit, ohne herauszuragen.
Seit der Lumix G2 (2010) gehört die Touchscreen-Technik bei den Panasonic G-Modellen dazu, wurde seitdem aber deutlich verbessert. Die Touch-Funktion ist sowohl bei der Aufnahme (z. B. Positionieren des AF-Feldes), bei der Wiedergabe (z. B. „Durch-die-Bilder-Wischen“ und Bilder vergrößern) und natürlich bei Einstellungen im Quick Menü und Menü sehr hilfreich. Außerdem kann man so die virtuellen Funktionstasten auf dem Monitor bedienen.
Der Monitor dient zudem als Touch-Pad. Das heißt: Wenn die Kamera am Auge ist, ist der Monitor dunkel aber noch aktiv, und man kann das AF-Messfeld mit einer Fingerspitze bewegen. Das ist sehr praktisch– aber ein Mini-Joystick auf der Rückwand wäre mir dafür noch lieber.
Der elektronische Sucher bietet eine Suchervergrößerung von 0,74x [@KB]. Es gibt zwar noch größere Sucher, aber das ist schon mal sehr ordentlich, zumal der OLED-Bildschirm eine Auflösung von 2,36 Mio. RGB-Dots und damit ein sehr scharfes Sucherbild bietet.
Die Umschaltung zwischen Rückwand- und Suchermonitor kann automatisch oder manuell erfolgen.
Wenn es um die Belichtungsmessung und -steuerung geht, ist die Lumix G91 sehr gut ausgestattet, von der manuellen Einstellung bis zu Vollautomatik, die sehr gut arbeitet.
Viele Effekte in Umfeld der Belichtungssteuerung sind bekannt, neu ist LiveView-Composite. Diese Technik kennt man von Olympus. In eine Grundbelichtung werden bei nachfolgenden Aufnahmen nur Änderungen der Helligkeit eingerechnet, sodass der Hintergrund durch eine lange Belichtungszeit nicht immer heller wird, Lichter fahrender Autos oder Feuerwerk aber gut ins Bild kommen.
Während für LiveView-Composite-Aufnahmen ein Stativ zwingend notwendig ist, kann bei vielen Aufnahmen bei wenig Licht recht lange darauf verzichtet werden.
Die G91 bietet einen Stabilisator am Sensor. Er kann mit dem Stabilisator in entsprechend ausgestatteten Objektiven zusammenarbeiten (DUAL IS) und die Freihandgrenze kann um bis zu 5 Verschlusszeitenstufen verlängert werden. Zusätzlich profitieren Filmer vom virtuellen Stabilisator. Er funktioniert, weil das Filmbild kleiner ist als der Sensor und daher über die Sensorfläche bewegt werden kann.
Mit 9 B/Sek. bei fest eingestellter Schärfe und 6 B/Sek. für Objekte, die sich bewegen und vom AF in der Schärfe gehalten werden sollen, ist die Lumix G91 sehr flott unterwegs.
Eine noch höhere Bildfrequenz (30 B/Sek.) bieten die 4K Photo-Funktionen. Die 8 MPix großen Bilder werden zunächst eine Sekunde lang nur in den Pufferspeicher geschrieben und überschrieben und erst gespeichert, wenn man den Auslöser durchdrückt – zusammen 30 Bildern, die danach aufgenommen werden. Man verpasst keinen wichtigen Moment.
Der Autofokus arbeitet mit der Panasonic eigenen DFD-(Depth from Defocus)-Technik. Kurz gesagt werden zwei unscharfe Aufnahmen mit unterschiedlichen Entfernungseinstellungen gemacht und aus dem Unterschied in den Unschärfen wird bestimmt, in welche Richtung fokussiert werden soll. Dadurch ist der AF sehr schnell und sicher.
Dazu kommen Post-Focus-und Focus-Stacking. Post-Focus heißt, dass man aus einer Reihe von Bildern das oder die aussuchen kann, in denen die Schärfenebene da liegt, wo man es möchte. Focus Stacking heißt, dass die Kamera mehrere Bilder mit unterschiedlichen Schärfenebenen zu einem Bild mit durchgehender Schärfe zusammenfügt. Beides funktionierte bei den Tests tadellos – ebenso die Gesichts- und Augenerkennung.
WiFi und Bluetooth machen die Verbindung zu Smartgeräten möglich, um Bilder zu teilen oder, für mich wichtiger, die Kamera per App zu steuern. Das macht im Grunde eine normale Fernsteuerung überflüssig, aber eine entsprechende Buchse ist trotzdem vorhanden.
Herzstück der Lumix G91 ist der eingangs schon angesprochene Live-MOS Sensor der neuesten Generation. Der 20,3-MPix-Chip kommt ohne Tiefpassfilter daher, um die Qualität ganz ausreizen zu können. Dadurch steigt zwar das Risiko, dass Moiré auftreten kann, aber während des Praxistests hatte ich damit keinerlei Probleme.
In Kombination mit dem Bildprozessor der neuesten Generation wird eine hervorragende Abbildungsleistung mit sehr hohen Werten für die Auflösung und sehr gutem Kontrastverhalten erreicht. Bis zu 13 Blendenstufen dürfen zwischen den hellsten und dunkelsten Motivteilen liegen, die dann noch mit Zeichnung ins Bild kommen.
Dass man die höchsten ISO-Werte allenfalls im Notfall einstellen sollte, gilt auch für die Lumix G91. Aber die Werte zwischen ISO 100 und ISO 1600 (einschließlich) sind hinsichtlich des Rauschverhaltens sehr gut und auch die beiden folgenden Werte können noch genutzt werden, ohne große Verluste feiner Details befürchten zu müssen.
Alles in allem ist die Panasonic Lumix G91 eine hervorragend ausgestattete Kamera, die
eine hervorragende Abbildungsleistung bringt. Wenn das Budget eine Lumix G9 nicht hergibt, ist die G91 erste Wahl, und wenn ein günstigeres Zweitgehäuse zur Lumix G9 gesucht wird, auch.
BEWERTUNG FÜR DIE PANASONIC LUMIX G91
GUT – SEHR GUT – HERVORRAGEND – HERVORRAGEND PLUS – HERVORRAGEND DOPPEL PLUS
Text und alle Bilder © Herbert Kaspar
PRAXISBILDER
Ein Klick auf eines der Praxisbilder bringt es in der Größe von 3000 x 2250 Pixeln auf Ihren Bildschirm. Die Bildgröße wurde in der aktuellen Version von Adobe Photoshop reduziert.
Beachten Sie bitte, dass die Bildqualität, besonders die Farbwiedergabe, auch von den Einstellungen Ihres Monitors abhängt!
Panasonic Lumix G91 mit Lumix G Vario 12-60 mm F3,5-5,6 ASPH Power O.I.S.
Panasonic Lumix G91 mit Leica DG Vario-Summilux 10-25 mm F1,7 ASPH Power O.I.S.
Panasonic Lumix G91 mit Lumix G Macro 30 mm F32,8 ASPH Mega O.I.S.
ISO-REIHE
Das erste Bild zeigt den Aufbau im Studio, der wie immer mit einer Tageslicht-Fotoleuchte beleuchtet wurde. Die Helligkeit entspricht etwa EV 7.
Die weiteren Bilder sind 100-%-Crops aus den 5184 x 3888 Pixel großen Originalbildern.
Alle Praxisbilder und ISO-Reihe © Herbert Kaspar
Dieser Test erschien zuerst in d-pixx foto 3/2019 (3. Quartal)
[…] Panasonic Lumix G91 – Test […]