Während ich auf das Canon RF 24-240 mm F4-6.3 IS USM warte, das ich in Kürze hier vorstellen werde, werfe ich noch einmal einen Blick auf das Standardobjektiv im Canon EOS R Programm, auf das RF 50 mm F1.2 L USM, das in unserer Print-Ausgabe d-pixx foto 3/2019 bereits getestet wurde.

RF 50 mm F1.2 L USM – einStandardobjektiv? Natürlich ist es als Vollformatobjektiv mit 50 mm Brennweite ein klassisches Standard- oder Normalobjektiv. Mit seinem Bildwinkel von 46° liefert es eine sehr natürliche Perspektive, die dem Blick des menschlichen Auges sehr nahe kommt. Aber mit einer Lichtstärke von 1:1.2 ist es schon ein besonderer Vertreter dieser Objektivgattung – was sich leider auch im Preis niederschlägt.

Allerdings sehen wir mit zwei Augen, so dass mir 35-mm-Objektive als Standardobjektive oft lieber sind, wie etwas das neue Tamron SP 35 mm F1.4 Di USD oder auch das Canon RF 35 mm F1.8 Macro IS STM, das gleich noch den Makro-Bereich bis zum Abbildungsmaßstab 1:1 erschließt. Zwischen 50 mm und 35 mm ist das ebenfalls neue Sigma 40 mm F1.4 DG | Art angesiedelt – auch das sehr interessant als Standardobjektiv für Vollformatkameras.

Als hochlichtstarkes Standardobjektiv („Lichtriese“) ist das RF 50 mm F1.2 L UMS ein typischer Allrounder, der in so gut wie allen Motivbereichen sinnvoll genutzt werden kann – von Architektur bis Sport, von Gruppenbild bis Landschaft, von Natur bis Zoo usw., und das dank der großen Anfangsöffung auch bei wenig Licht.

Das 50er ist ein wirklich wuchtiges Objektiv. Ohne Streulichblende ist es ab Bajonett 115 mm lang und ragt 108 mm vor die Auflagefläche. Diese Länge des äußeren Tubus ändert sich beim Fokussieren nicht, auch wenn ein innerer Tubus ein Stück nach hinten wandert, wenn man von der kürzesten Einstellentfernung 40 cm auf Unendlich fokussiert. Die Vier-Segment-Streulichtblende mit Entriegelungstaste addiert rund 50 mm zur Länge.

Die Frontfassung für 77-mm-Filter (nicht eben preisgünstig, aber doch noch im Rahmen) dreht sich beim Scharfstellen nicht. Die Arbeit mit Polarisations- oder Verlaufsfiltern ist also problemlos möglich.

Der größte Durchmesser des Objektivs liegt bei ca. 90 mm.

Trotz der Größe ist das RF 50 mm F1.2 L USM ein verblüffend leichtes Objektiv. Es bringt zwar 950 g auf die Waage – aber wie gesagt lässt die Größe ein höheres Gewicht erwarten.

Das wird durch den massiven Einsatz von Kunststoff möglich. Wer nun Zweifel hat: Das Bajonett ist aus Metall.

Trotz viel Kunststoff hat man nie das Gefühl, es könne dem Objektiv an Robustheit mangeln.

Zum Stichwort „robust“: Die Festbrennweite weist, wie es in den technischen Daten heißt, den Witterungsschutz der L-Serie auf! Die Gummilippe am Bajonett ist besonders wichtig, da der Sensor gleich dahinter liegt und nicht durch Spiegel und Verschluss geschützt wird, wie es bei einer DSLR der Fall ist.

Wie bei RF-Objektiven üblich, weist das geradlinig designte 50er einen konfigurierbaren Einstellring auf, der ganz vorn untergebracht ist. Standardmäßig ist er als Belichtungskorrekturring eingestellt. Ich habe ihn lieber mit der  ISO-Einstellung belegt – und es gibt 6 andere Funktionen, die man mit diesem Ring steuern kann.

ahinter liegt der breite Fokussierring. Er steuert, wie heute üblich, den AF-Motor an und bewegt nicht direkt das AF-Element. Das funktioniert gut, auch, weil Fokuspeaking sehr genau zeigt, welche Motivteile in der Schärfenzone liegen, und welche nicht.

Der Autofokus, der wohl bei deutlich mehr Aufnahmen zum Einsatz kommt, arbeitet an der EOS RP sehr schnell und sehr sicher. Er funktioniert auch leise, aber nicht völlig geräuschlos, was für Fotografen egal ist, für Filmer wohl nicht.

Auf der linken Seite sind zwei Schalter zu finden: AF/MF-Wahl und Wahl des Fokusbereiches: Full oder 0,8 m – ∞.

Einen Schalter für den Stabilizer sucht man, wie die ganze Funktion, leider vergebens. (Vielleicht braucht man ihn bei einer künftigen EOS-Generation ja auch nicht mehr).

Weinblätter in den Weinbergen hinter Fuchsstadt bei Hammelburg, der Heimat der d-pixx foto. Bei ganz offener Blende ist nur ein schmaler Teil des Motivs in der Schärfenzone – aber dort zeigt die Festbrennweite, was sie kann.
Canon RF 50 mm F1.2 | ISO 400 | F1.2 | 1/3200 Sek. | -0,33 EV | Canon EOS RP

Schon bei ganz offener Blende sind Auflösung und Kontrast hervorragend. 1: 1,2 ist eine echte Arbeitsblende! Die Werte nehmen dann aber bis 1:5,6 und 8 sogar noch weiter zu.

Sonnenblumen mit Besuch. Auch bei Blende 5,6 verschwindet ein großer Teil des Motivs in der Unschärfe, die sehr angenehm weich wirkt.
Canon RF 50 mm F1.2 | ISO 100 | F5.6 | 1/640 Sek. | Canon EOS RP

Wer auf die (extrem) schmale Schärfenzone der weit offenen Blenden verzichten kann und ausreichend Licht für die kleineren Blenden zur Verfügung hat, erreicht bei Blende 2.8 schon Top-Werte in Sachen Auflösung und holt im Bereich von 1:4 bis 1:8 das Optimum aus dem 50er heraus. Dabei ist der Unterschied zwischen Bildmitte und Bildecken immer sehr sehr gering.

Die gleichmäßig sehr hohe Qualität über das gesamte Bildfeld ist  bei den sehr großen Blenden und geringen Entfernungen natürlich nur bei planen Motiven zu beobachten. Sobald ein Motiv dreidimensional aufgebaut ist, liegen immer nur einige Motivteile in der (extrem) schmalen Schärfenzone – meist sind das Motivteile in der oder nah an der Bildmitte. Unwichtigere Details am Rand, die ein bisschen weiter vorn oder hinten liegen, werden von der Schärfenzone nicht mehr erfasst, was dann der ein oder andere Betrachter des Bildes als Leistungsabfall zum Bildrand ansieht. Das ist natürlich (nicht nur bei diesem Objektiv) Humbug.

An einem nebligen Morgen konnte ich einige Bilder einfangen, als die Sonne sich durchzusetzen begann. Die Blätter sind bis zum Bildrand und in die Ecken scharf, Reflexe sind kein Problem.
Canon RF 50 mm F8 | ISO 200 | F8 | 1/80 Sek. | -0,33 EV | Canon EOS RP

Wenn die Entfernung dann allerdings groß genug ist, kann man die Lichtstärke auch in der Landschaftsfotografie oder beim abendlichen Stadtbummel nutzen. Bei Blende 1.2 und 20 m Entfernung ist die Schärfenzone schon rund 12 m tief …

Dieses Bild entstand ein bisschen früher, als das oben gezeigte. Die weit offene Blende sorgt für eine schöne Trennung von Vorder- und Hintergrund. Die Unschärfescheibchen sind fest kreisrund.
Canon RF 50 mm F2.2 | ISO 100 | F2.2 | 1/30 Sek. | -0,33 EV | Canon EOS RP

Es geht aber nicht immer nur um die Schärfe, sondern manchmal auf um die Unschärfe. Hier lässt sich feststellen, dass die fast kreisrunde Blendenöffnung (gebildet von 10 Blendenlamellen) gemeinsam mit den Linsen des Objektivs ein sehr sanftes Bokeh mit schönen Unschärfescheibchen produziert.

Vignettierung ist schon bei ganz offener Blende kaum einmal ein Problem, Verzeichnung in der Praxis nie und die chromatische Aberration auch nicht. Bei Gegenlichtaufnahmen kann es zwar auch einmal zu kontrastmindernden Überstrahlungen kommen, die man im hervorragenden Sucher einer Canon EOS R oder EOS RP sehr gut beurteilen kann. Oft genügt dann eine minimale Änderung der Aufnahmerichtung, um den Kontrast wieder in optimalen Bereich zu bringen.

Alles in allem ist das Canon RF 1,2/50 mm ein praktisch makelloses Objektiv. Einzig der Preis trübt das Vergnügen.

 

ECKDATEN

Objektiv Canon RF 1.2/50 mm L USM 
Bildwinkel diagonal 46°
entspricht an APS (Crop 1,6x)
Vollformattauglich ja
Blenden 1,8 … 16
Linsen / Gruppen 15 / 9
Nahgrenze 40 cm
Max. Abbildungsmaßstab ca. 1:5,2
Bildstabilisator nein
Maße (L / D) ca. 108 mm / 90 mm
Gewicht ca.950 g
Filtergewinde 77 mm / nicht rotierend
Staub- und Spritzwasserschutz Witterungsschutz der L-Serie
Anschluss Canon RF

 

WERTUNG

GUT – SEHR GUT – HERVORRAGEND – HERVORRAGEND PLUS – HERVORRAGEND DOPPEL PLUS

d-pixx testlogo Hervorragend ++

 

 

 

PRAXISBILDER AN DER CANON EOS RP

Durch einen Klick in eines der Praxisbilder (auch im Text oben)  können Sie es sich in der Größe von 3000 x 2000 Pixeln anzeigen lassen.

 

Bei diesem und dem nächsten Bild wurde mit dem mittleren Messfeld der Canon EOS RP auf das kleine Schild scharfgestellt. Es ist gut zu sehen ..
Canon RF 50 mm F1.2 | ISO 100 | F1.2 | 1/4000 Sek. | Canon EOS RP
… dass Abblenden von F1.2 auf F2.8 bereits eine sichtbare Erweiterung der Schärfenzone bewirkt.
Canon RF 50 mm F1.2 | ISO 100 | F1.2 | 1/4000 Sek. | Canon EOS RP
Auch bei diesen beiden Aufnahmen, entstanden wieder in der Weinbergen hinter Fuchsstadt, geht es um die Auswirkung des Abblendens , dieses Mal von F2,8 mit samtweichem Hintergrund …
Canon RF 50 mm F2.8 | ISO 640 | F2.8 | 1/640 Sek. | +0.67 EV | Canon EOS RP
… auf F8, wo der Hintergrund bereits deutlicher wird, aber immer noch eine angenehme Unschärfe zeigt.
Canon RF 50 mm F2.8 | ISO 640 | F2.8 | 1/640 Sek. | +0.67 EV | Canon EOS RP
Auch für Natur- und Landschaftsaufnahmen, wie hier in den noch leicht nebelverhangenen Weinbergen …
Canon RF 50 mm F2.8 | ISO 640 | F2.8 | 1/1600 Sek. | +0.67 EV | Canon EOS RP
… oder an einem locker bewölkten Vormittag im Sonnenblumenfeld , kann man die großen Blenden des 50er nutzen.
Canon RF 50 mm F2.8 | ISO 100 | F2.8 | 1/4000 Sek. | Canon EOS RP
Für das Bild über das Saaletal zu Schloss Saaleck (mit ausgezeichneter Gastronomie – ich werde dafür nicht bezahlt oder eingeladen) – wurde auf 5.6 abgeblendet, was ausreicht.
Canon RF 50 mm F2.8 | ISO 640 | F5.6 | 1/640 Sek. | +0.67 EV | Canon EOS RP

 

Text und alle Bilder (c) Herbert Kaspar

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