Zur photokina 2008 stellte Panasonic mit der Lumix G1 die erste spiegellose Systemkamera vor und sorgte mit dieser innovativen Idee für eine Revolution im Kameramarkt. Es wurden die Türen für neue Wettbewerber der DSLR-Kameras und für viele zukunftsweisende Technologien geöffnet, und der Kameramarkt änderte sich. Die GfK-Verkaufszahlen in Deutschland belegen, dass seit April 2018 spiegellose Systemkameras denen mit Spiegel den Rang abgelaufen haben. Sie liegen mit mehr als 50% in Menge und Wert vorne. Alles Gründe, einen Blick auf 10 Jahre DSLM-Entwicklung beim Vorreiter Panasonic zu werfen – der zudem in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag feiert.
Eine der wichtigen Neuerungen in der Fototechnik war Mitte der 1980er Jahre die Einführung der automatischen Scharfstellung (Autofokus), die sich seitdem von der langsamen, aber bequemen Hilfe zu einer der unverzichtbaren Kamera-Grundfunktionen entwickelt hat.
Phasendetektion mit Vor- und Nachteilen.
Seit der Autofokus im Jahr 1985 seinen Siegeszug in Spiegelreflexkameras begann, erfolgte die automatische Scharfstellung per Phasendetektion.
Das heißt (vereinfacht), dass Lichtstrahlen, die durch die beiden Hälften eines Objektivs fallen, durch die teildurchlässige Mitte des Hauptspiegels auf einen Umlenkspiegel fallen, von dort zur AF-Einheit (meist im Boden des Spiegelkastens) umgelenkt und über einen Strahlenteiler auf zwei Messzeilen mit gelenkt werden, die mit nebeneinander angeordneten Pixeln besetzt sind. Sind die Muster von hellen und dunklen Partien auf beiden Messzeilen gleich angeordnet, ist das Objektiv scharfgestellt. Sind die Muster gegeneinander verschoben, kann das AF-System daraus ablesen, ob das Objektiv auf eine zu geringe oder eine zu große Entfernung eingestellt ist und wie weit die Linsen verstellt werden müssen, um die Scharfstellung zu erreichen.
AF auf Basis von Phasendetektion geht sehr schnell – kann aber aufgrund des komplexen Aufbaus zu Problemen führen. Ist eine, nur eine der Komponenten nicht exakt ausgerichtet, wir sprechen von Bruchteilen von Millimetern, kann die Schärfenebene ein bisschen vor oder hinter dem Punkt liegen, auf den scharfgestellt wurde. Man spricht dann von Front- oder Backfokus. Zudem kann der klassische Phasendetektions-AF nur relativ unflexible Punkte im Bild scharf stellen und ist bei Videoaufnahmen nicht nutzbar.
Dort scharf stellen, wo das Bild entsteht.
Mit der Einführung der Lumix G1 verbannte Panasonic dieses Problem aus den spiegellosen Systemkameras und setzte auf die Kontrastdetektion, die man bisher aus Kompaktkameras kannte.
Die Kontrastdetektion braucht keinen AF-Sensoren, sondern nutzt den Bildsensor. Das heißt, die Schärfe wird immerauf die der richtigen Ebene, die Bildebene, fokussiert.
Kontrast-AF macht sich zunutze, dass der Kontrast im Bild am höchsten ist, wenn die Scharfstellung stimmt. In der Praxis wird das Objektiv immer in kleinen Schritten verschoben und der Kontrast gemessen. Wird nach dem ersten Schritt ein geringerer Kontrast gemessen, muss die Bewegungsrichtung umgekehrt werden. Nun wird der Kontrast nach jedem Schritt etwas höher sein – bis er dann wieder nachlässt, weil der Punkt der exakten Schärfe und damit des höchsten Kontrastes überschritten wurde. Nun erfolgt ein Schritt zurück, und die Schärfe stimmt.
Dieses Verfahren ist sehr präzise, bei den ersten DSLMs aber langsamer, als bei den DSLR-Kameras mit Phasendetektion. Aber mit praktisch jedem Modell wird der Autofokus der Lumix DSLM Kameras schneller (natürlich ohne an Präzision zu verlieren) und die aktuellen Lumix G-Modelle sind den DSLRs der jüngsten Generation gleichwertig oder sogar überlegen – bei gleichzeitig flexiblerer Anwendung.
Depth from Defocus
Und dann kommt 2014 die Lumix GH4 mit der neuen Depth from Defocus-Technik, die einen sehr schnellen Autofokus auf dem Level von Spitzen-DSLRs und darüber ermöglicht. Das ist für Fotografen hoch interessant, denen Bildserien mit 7 B/Sek. und Schärfennachführung von Bild zu Bild geboten wird – aber erst recht werden Filmer mit angesprochen. Wir erinnern uns: Mit der GH4 dringt Panasonic in die hochprofessionelle Videoproduktion vor (mit 4K Auflösung, Time Code usw.), und die Filmer können nun Motive, die sich bewegen, bestens in der Schärfe halten.
Was steckt hinter Depth from Defocus, kurz: DFD?
Beim Fokussieren mit DFD-Technik werden beim Antippen des Auslösers zwei Aufnahmen mit minimal unterschiedlichen Entfernungseinstellungen gemacht. Dann vergleicht die Software den Grad der Unschärfe. Dafür stellt das Objektiv Informationen über Brennweite, Blende und Entfernung zur Verfügung. Im Bildprozessor der der Kamera sind u. a. Informationen über das Bokeh für unterschiedliche Brennweiten/Blenden/Entfernungs-Kombinationen gespeichert. Dadurch kann die Software feststellen, welche der beiden Vorabaufnahmen (die natürlich nicht gespeichert werden) weniger unscharf und wie groß die Different der Unschärfe ist. In der Folge kann sie sofort in die richtige Richtung bis nah an den Schärfenpunkt fokussieren. Erst ganz zum Schluss wird die Feinabstimmung mit dem normalen Kontrast-AF-Verfahren vorgenommen.
Alle aktuellen Lumix G-Modelle mit Ausnahme der GF7 (und einige Lumix Kompakt- und All-in-One-Kameras) bieten AF per DFD-Technik und sind daher in Sachen Autofokus sehr sehr schnell. Das Top-Modell Lumix G9 kann bei einer Serienbild-Frequenz von 20 B/Sek. ein Objekt, das sich bewegt, in der Schärfe halten!
Dass dabei das Objekt ständig im Sucher oder auf dem Monitor sichtbar ist, ist ein weiteres Highlight der Lumix G9 – aber auf dieses und andere Features, die den Umgang mit einer Lumix einfach machen, gehen wir in den nächsten Folgen unserer Serie ein. Im Moment bleiben wir beim Autofokus.
Schärfe festhalten oder nachführen?
Schon seit den Anfängen der Autofokustechnik in Systemkameras gibt es zwei Varianten. Sie heißen bei Panasonic AFS (für Auto Focus Single) und AFC (für Auto Focus Continuous).
AFS bedeutet, dass man durch Antippen des Auslösers die Schärfe einstellt. Diese Einstellung bleibt bis zum Auslösen gespeichert. Das ist hilfreich, wenn man auf ein Motivdetail scharfstellt, danach aber den Bildausschnitt leicht verändert.
AFC bedeutet, dass der AF aktiv ist, solange man den Auslöser angetippt hat. Dadurch kann die Kamera auf Veränderungen im Motiv reagieren und die Schärfe bis zum Auslösen nachführen. Wie sie dabei vorgeht, kann man im Menü einstellen und dabei z. B. festlegen, dass die Kamera entweder nicht auf Objekte reagiert, die sich für einen Moment zwischen Kamera und eigentliches Motiv schieben, oder dass sie sofort auf das neue Objekt fokussiert. Das ist z. B. für Sport- oder Tierfotografen wichtig.
Dazu kommt AFF (für Auto Focus Flexible). Dieser Modus entspricht solange dem AF-S -Modus, bis sich im Motiv etwas tut, was ein Nachführen der Schärfe nötig macht.
AF-Messfelder
Manchmal liegt das bildwichtigste Detail in Bildmitte und soll auch das angeordnet werden – aber in den meisten Fällen ist ein mittiger Bildaufbau der Bildwirkung abträglich. Das Hauptmotiv wird also oft an einer anderen Stelle im Bildfeld platziert. Dort soll dann auch die Schärfe liegen.
Mit den Lumix-Modellen ist es kein Problem, die Schärfe exakt dorthin zu legen, wo man sie möchte – man muss sich nur entscheiden, welchen AF-Modus man einsetzt.
Im Überblick:
Mehrfeld-AF
Man überlässt es der Kamera, zu entscheiden, auf welchen Teil des Motivs scharf- gestellt wird. Waren es bei der Lumix G1 noch 23 AF-Felder, die zur Wahl standen, sind es bei der Lumix G9 225 Felder und entsprechend feinfühliger kann die Kamera reagieren. Wenn man möchte, kann man im Multi-Individuell-AF Modus mehrere der Messfelder zusammenfassen und so an eine bestimmte Aufnahmesituation anpassen oder eine von drei Vorgaben (z. B. für Schwenks) aufrufen.
Einfeld-AF
Man verschiebt das AF-Messfeld selbst auf den Punkt, auf den es einem ankommt – dazu gleich mehr. Die Größe des AF-Messfeldes ist variabel und kann daher auf die Strukturen im Bild abgestimmt werden.
Punkt-AF
Er wird immer dann gebraucht, wenn die Schärfe exakt auf ein sehr kleines Detail im Motiv gelegt werden soll und bewährt sich auch dann, wenn man durch irgendetwas Störendes im Vordergrund hindurch auf etwas im Hintergrund fokussieren möchte.
Gesichtserkennung
Schon die erste Lumix G bot diese AF-Variante, die durch den Einsatz der Kontrast-Detektion möglich wurde. Die Kamera erkennt ein oder auch mehrere Gesichter, stellt darauf scharf (gegebenenfalls auf das, das der Kamera am nächsten ist) und stimmt auch Belichtung und Weißabgleich darauf ab. Mit in dieses Umfeld gehört die Augenerkennung. Bei Porträtaufnahme mit weit offener Blende eine sehr angenehme Unterstützung für den Fotografen.
AF-Verfolgung
Wenn sich ein Objekt durch das Bildfeld bewegt und bis zur Aufnahme in der Schärfe gehalten werden soll, wird diese Funktion aktiviert. Das AF-Messfeld wird dem Objekt nachgeführt, das beim AF-Start darin war.
Für die Positionierung des AF-Messfeldes stehen verschiedene Möglichkeiten offen.
Unter den aktuellen Modellen bieten die Lumix GF7, G70, G81, GX800, GX80 und GX9 dafür die Vierrichtungswippe und die G9, GH5 und GH5S zusätzlich einen kleinen Joystick im Griffbereich des rechten Daumens als physische Einstellelemente.
Dazu gesellt sich bei allen der Touchscreen-Monitor. Durch Antippen kann man den Schärfenpunkt bestimmen und wenn möchte gleich noch auslösen. Besonders bei Aufnahmen in Bodennähe oder vom tief oder hoch eingestellten Stativ ist das eine sehr bequeme (und sichere) Sache.
Dazu kommt bei den Modellen mit Sucher (aktuell kommen nur die GX800 und GF7 ohne aus) die so genannte Touch Pad-Funktion. Das heißt: Man hat die Kamera am Auge, kann aber die Lage des aktiven AF-Messfeldes mit der Fingerspitze auf dem Monitor festlegen.
Manuell Fokussieren – und die Kamera hilft
Der Autofokus der Lumix-G-Modelle arbeitet exakt – gar keine Frage. Aber manchmal schlägt doch die Stunde der manuellen Fokussierung, besonders im Makrobereich mit der sehr schmalen Schärfenzone ist es durchaus sinnvoll, auf die Unterstützung durch die Schärfenautomatik zu verzichten.
Unterstützung gibt es dennoch: Die Monitorlupe zeigt einen Ausschnitt des Bildes vergrößert als Bild im Sucherbild, und wenn Focus Peaking im Menü aktiviert ist, werden Kanten, die in der Schärfe liegen, durch einen farbigen Saum hervorgehoben. Das ist eine sehr praktische Sache – und auch eine schöne Spielerei. Es macht Spaß, einfach mal im MF-Modus zu beobachten, wie die schmale Schärfenzone eines lichtstarken Objektivs bei voller Öffnung über das Motiv wandert!
Post Focus und Focus Stacking – Welche Schärfe darf’s denn sein?
Welches Motivdetail soll scharf sein? Welche sollen in der Unschärfe versinken. Bei den meisten Kameras muss man sich diese Fragen vor der Aufnahme stellen – und gleich noch beantworten. Und dann stellt man beim Betrachten des Bildes fest, dass eine andere Verteilung von Schärfe und Unschärfe dem Motiv gutgetan hätte.
Bei den Lumix Modellen, die 4K Foto oder 6K Foto bieten (mehr dazu in Folge 3) , ist die Sache für den Fotografen deutlich entspannter. Die Lösung des Problems heißt Post Focus.
Ist Post Focus aktiviert, tastet die Lumix G 49 Zonen im Bild ab. Immer wenn in einer dieser Zonen scharfgestellt werden kann, wird das Bild mit einer Auflösung von 8 MPix (4K) bzw. 18 MPix (6K) aufgenommen und im 4K / 6K-Format gespeichert. Danach kann man in der Kamera auswählen, welches Bild / welche Bilder man wirklich haben möchte.
Post Focus ist der Ausgangspunkt für eine weitere sehr interessante Funktion: Focus Stacking. Es wurde ja gerade angesprochen: Gerade im Nah- und Makrobereich ist die Schärfenzone sehr schmal – sogar wenn man abblendet und dabei wegen der unvermeidlichen Beugung ein bisschen Abbildungsqualität verliert.
Die Alternative ist die Aufnahme mit Post Focus Modus mit der optimalen Blende, um bei der Wiedergabe auszuwählen, welche der scharfen Einzelbilder zusammengefügt werden sollen. Das Ergebnis ist dann ein Bild mit einer großen Schärfenzone. Gegebenenfalls ist das Bild von vorn bis hinten scharf.
Zum Schluss
Dass man mit den Lumix G-Modellen schnelle Serien aufnehmen und sie das Motiv dabei in der Schärfe halten können, wurde bereits angesprochen und in der nächsten Folge wieder aufgegriffen, wenn es (u. a.) um die Schnelligkeit der Kameras geht.
Blick über den Tellerrand
Ich habe einfach einmal bei einem großen Internetanbieter als Suchbegriff „Panasonic“ ohne Einschränkung eingegeben. Als erster nicht gesponserter Treffer wird ein Blue-ray Recorder angezeigt, gefolgt von einer Haarschneidemaschine, In-Ear-Kopfhörern, und einer weiteren Haarschneidemaschine. Dann kommt die erste Lumix (eine TZ81 übrigens). Beim Weiterscrollen wird ein Brotbackautomat gezeigt, eine Munddusche, ein Nasen-/Ohren-Haarschneider, ein Schnurlostelefon, eine Mikrowelle mit Grill und Dampfgarer, LED-Lampen und auch sind zu finden.
Das ist allerdings wenig verwunderlich. Panasonic ist ein riesiger Konzern, der bereits seit 100 Jahren Unternehmensgeschichte ein sehr breites Spektrum des täglichen Lebens abdeckt … und auch in seinen Anfangsjahren mit interessanten Alltagsprodukten überzeugte. Und wenn es etwas so Kleines war wie ein Glühbirnenadapter, in dem eine Glühbirne Licht spendete und an den parallel ein anderes elektrisches Gerät angeschlossen werden konnte. Auch eine batteriebetriebene Fahrradlampe war im Angebot, die auch dann leuchtete, wenn das Rad stand (1923).
Text © Herbert Kaspar
Praxisbilder und Produktbilder © Herbert Kaspar
Produktbild Sensor und Grafiken © Panasonic
[…] gehören u. a. Autofokus auf Basis der DFD-Technik und die Möglichkeit, Stabilisatoren in Objektiven und Kameras zu kombinieren (DUAL I. […]
[…] Folge 4 Immer schneller. Autofokus. Von Kontrast-AF zu Depth from Defocus. […]
[…] Folge 4 Immer schneller. Autofokus. Von Kontrast-AF zu Depth from Defocus. […]