Die Dozenten von WennHeldenReisen, der ersten fotografischen Kunstakademie, gewähren in unserer neuen kleinen Serie Einblicke in ihre Herangehensweise an bestimmte Motive. Dieses Mal ist es Carmen Kubitz zum Thema Pflanzenfotografie.
So banal es klingen mag – die erste Voraussetzung fürs Fotografieren ist das Sehen, das Wahrnehmen der Motive.
Manche Dinge springen uns sofort ins Auge, andere „rufen“ ein wenig leiser.
Gratulation an alle, die ihr Motiv gefunden haben. Denn Begeisterung ist die beste Voraussetzung dafür, dass ein gutes Bild entsteht. Der erste Schritt ist also gemacht, doch der nächste darf nicht fehlen. Denn nun gilt es, eine Vorstellung davon zu entwickeln, wie wir das Motiv umsetzen möchten.
Selbst bei scheinbar unspektakulären Motiven gibt es unzählige Wege, sie mit der Kamera einzufangen. Drei davon wollen wir hier am Beispiel einer Agave unter die Lupe nehmen: Die gegenständliche Abbildung, eine Detailaufnahme und eine abstrakte Umsetzung.
Selbst, wenn wir uns dafür entscheiden, die Agave in herkömmlicher Weise abzubilden, wollen viele Entscheidungen getroffen werden. Die Frage des Ausschnitts, des Standpunktes und der Perspektive, des Schärfenpunktes und der Schärfentiefe und – mit all diesem – die Frage des Bildaufbaus. Bei Agaven kommt eines erschwerend hinzu: So schön sie sind, diese Pflanzen. Sie wachsen oft an den undankbarsten Stellen – in Blumenkübeln, auf Mauern, vor Gestrüpp oder gar inmitten von Unrat.
Nun gilt es, einen Standpunkt zu finden, der die Schönheit der Pflanze allen erschwerenden Bedingungen zum Trotz zum Ausdruck bringt. Von unten fotografiert schaffen wir uns beispielsweise beinahe immer einen dankenswerten Hintergrund. Wer hier mit gezielter Unter- oder Überbelichtung arbeitet, hat fast immer gewonnen – die Bildwirkung wird interessant und die Blattkanten im Gegenlicht verstärken die spannenden Facetten des Bildes. Schön, wenn eine (gedachte) Linie von links oben ins Bild hineinführt, denn das menschliche Auge liest ein Bild wie ein Buch (in unserer Kultur links oben beginnend). Wenn ich nun den Schärfenpunkt gezielt auf eines der vorderen Blätter lege und die Möglichkeit habe, mit offener Blende (z.B. 2,8) zu arbeiten, steht – wie unvorteilhaft der Hintergrund auch gewesen sein mag – einem gelungenen Foto nichts mehr im Wege.
All diese Fragen müssen natürlich auch bei der Detailaufnahme berücksichtigt werden. Ein Aspekt – Schärfenpunkt und Schärfe – spielt hier allerdings eine noch entscheidendere Rolle. Denn, wenn wir das Makroobjektiv zur Hand nehmen, rücken wir nicht nur dem Motiv, sondern auch dem Thema „Schärfentiefe“ auf den Leib: Durch den geringen Abstand zum Motiv reduziert sich der Schärfentiefebereich auf wenige Zentimeter, bei offener Blende gar auf wenige Millimeter. Hier ist es angesagt, sorgsam zu arbeiten, die Belichtungszeit gut im Auge zu behalten (Faustregel: nicht länger als der Umkehrwert der Brennweite, lieber noch eine oder zwei Stufen kürzer), eventuell manuell zu fokussieren und ein Stativ zu verwenden.
Abstrakte Umsetzungen schließlich eröffnen völlig neue Möglichkeiten. Selbstverständlich sollten die oben genannten Punkte auch hier nicht in Vergessenheit geraten. Zusätzlich zu bereits erwähnten Gestaltungskriterien kommt aber bei den meisten abstrakten Aufnahmen die Bewegung der Kamera ins Spiel. Eine Technik, die auf unendlich spannende Wege führt.
Zaghaft können wir mit einer Bewegung beginnen – die bekannteste davon dürfte wohl das Ziehen der Kamera in waagerechter oder senkrechter Richtung sein. Das Display verrät, welche Wirkung ich erzielt habe. Mit dieser Information begebe ich mich auf die Suche, meinem Motiv zu begegnen. Benötigt es, eine langsamere oder schnellere Bewegung, um sein „geheimes“ Aussehen zu entfalten, oder gar eine komplett andere Art und Weise, die Kamera zu schwingen? Der Dialog zwischen mir und meinem Motiv beginnt. Ein zartes oder wildes Spiel der Bewegung. Eine langsamere Annäherung an das, was stimmig erscheint.
Traut man sich nicht gleich an die Bewegung und Abstraktion heran, kann man schon mit den einfachen Mitteln der gezielten Über- oder Unterbelichtung Bilder schaffen, die sich von einer normalen Aufnahme abheben.
Das, was aufs Erste aussieht, wie ein Zufallsprodukt, ist in Wahrheit ein feiner, zarter, aufmerksamer Dialog zwischen mir und dem Motiv. Und, wenn alles gut gegangen ist, einer wahren, neuen Begegnung.
Text und alle Bilder (c) Carmen Kubitz
Über: WennHeldenReisen
WennHeldenReisen ist die erste fotografische Kunstakademie. Sie bietet eine zweijährige Ausbildung, die gut mit Beruf und Familie vereinbar ist,
Die Bausteine der Ausbildung sind einführende Sommer- und Winterakademien, vier themenzentrierte Impulswochen, die in zwei Jahren an vier Location stattfinden und ein durchgängiges individuelles Coaching, um das sich drei aufeinander abgestimmte Dozenten kümmern.
Das interdisziplinäre Konzept ermöglicht einen mutigen Blick über den fotografischen Tellerrand hinaus. Intensiv begleitete Projekte fördern ein weiträumiges Verständnis genauso wie die Praxis am Motiv. Wer erst einmal schnuppern möchten, bucht vorab einfach eine der alljährlichen Sommer- oder Winterakademien. Hier gibt es fruchtbaren Austausch, Begegnungen und Synergien mit Gleichgesinnten.
Mehr Infos: http://www.wennheldenreisen.de/
[…] Carmen Kubitz zum Thema „Pflanzenfotografie“ […]