Kann man Wind fotografieren? Man spürt Wind, kann ihn aber nicht sehen. Wenn man ihn nicht sehen kann, kann man ihn dann fotografieren?
Eigentlich entzieht er sich dem Auge der Kamera. Das wichtige Wort im letzten Satz ist „eigentlich“. Um ein Stückchen auszuholen, ein Blick in die Welt der Physik. Robert Brown (1773 – 1858), seines Zeichens Schotte und Botaniker, beobachtete eines Tages, wie sich Pollen in einem Wassertropfen bewegen. Er schloss daraus, dass eigentlich Unsichtbares, die Wassermoleküle, diese Bewegungen hervorrufen müssen. Wir wollen das nicht weiter vorfolgen, können aber daraus folgern, dass man einfach die Auswirkungen eines Phänomens fotografieren kann, um das eigentliche Phänomen ins Bild zu setzen. Und damit wird die fotografische Umsetzung des Themas „Wind“ schon ein gutes Stück einfacher.
„Wind“ ist „eine Luftströmung, meist waagrechter Art“ – so steht es im Neuen Brockhaus, Band 5, von 1960 und daran wird sich seitdem nicht all zu viel geändert haben. Die Einstufung von Wind erfolgt in Windstärken oder Beaufort. Vom leichten Zug (Windstärke 1) bis zum ausgewachsenen Orkan (Windstärke 12) reicht die Skala.
Wie äußert sich Wind? Ganz klar: Er bewegt Dinge! Das beginnt beim leichten Wiegen von Blumen und Gräsern und geht über flatternde Tücher und Fahnen …
bis hin zu Bäumen, die sich biegen, und zu Gegenständen, die irgendwohin gewirbelt werden, wie herbstbunte Blätter, Kappen, Hüte oder Regenschirme, die er, wenn sie in der Hand gehalten werden auch mal umdreht.
Und er sorgt dafür, dass Röcke sich um Frauenbeine schmiegen oder vielleicht sogar ein bisschen gelüpft werden.
Wind weht Dinge vor sich her, wie etwa feinen Sand am Strand, der als dünne Schicht handbreit über dem Boden eine dünne Schicht bildet und er bewegt Wasseroberflächen, vom leichten Kräuseln bis hin zu hohen Wellen, die sich mit weißen Schaumkronen aufbäumen.
Wind treibt Segelboote, Großsegler oder Strandsegler vorwärts und lässt Drachen steigen, einfache kleine wie lenkbare große oder solche, von denen sich Surfer durch die Wellen ziehen lassen.
Wind lässt Ballons durch die Luft fliegen (die kleinen) oder durch die Luft fahren (die großen mit Gondeln).
Nicht zu vergessen: Wind dreht Windräder in Kinderhänden und Rotoren von Windkraftanlagen, und dann sind da natürlich die Wolken am Himmel.
Ihre Formen können so unterschiedlich sein, dass man Bildbände füllen möchte, von den zarten Schleier- über die lustigen Schäfchen- bis zu den dicken Haufenwolken, von den weißen bis zu den dräuend grauen bei denen man sofort überlegt, wo man den Regenschirm hat stehen lassen. Wind lässt sie manchmal ruhig vor sich hin gleiten und jagt sie manchmal ungestüm vor sich her.
Wind bietet also eine Vielzahl von Motiven, die man mit jeder Ausrüstung einfangen kann – obwohl natürlich manche Ausrüstung besser geeignet ist, als andere.
Wichtig ist für manche Windbilder, dass man eine lange Verschlusszeit vorgeben kann, um die Bewegung, die der Wind hervorruft, durch Wischeffekte im Bild sichtbar zu machen. In diesem Zusammenhang ist auch ein anderes Ausstattungsdetail von Vorteil: ein Filtergewinde, denn um passend lange Verschlusszeiten zu erzielen, braucht man mitunter einen Graufilter.
Damit diese langen Verschlusszeiten zu unverwackelte Aufnahmen führen, sollte ein Stativ zur Ausrüstung gehören (aber es sollte ohnehin zu jeder Ausrüstung gehören und auch genutzt, und nicht nur im Kofferraum spazieren gefahren werden).
Bis zu einem gewissen Grad kann man natürlich auch die Möglichkeiten des Bildstabilisators in der Kamera oder im Objektiv nutzen, um zwei, drei, vier Verschlusszeitenstufen gut zu machen.
Zum Schluss: Besonders, wenn ein frischer Herbst- oder Winterwind weht, bleibt man natürlich gern im warmen Wohnzimmer, aber Bilder, die den unsichtbaren Wind zeigen, kann man nur draußen machen. Also warm anziehen, raus gehen und fotografieren!
Text: (c) Herbert Kaspar