Lost Places assoziiert man bevorzugt stillgelegte Industrie-Anlagen. Dies ist verständlich, kursieren von diesen doch unzählige Aufnahmen mit oder ohne Model im Netz. Insider wissen natürlich, dass die Motivpalette der Lost Places um ein vielfaches breiter gefächert ist. Das macht dieses Sujet auch visuell so abwechslungsreich.
Eine entscheidende Frage im Vorfeld ist sicherlich, was man zu den Lost Places zählt. Nicht jedes Bauwerk, aber jedes Bauwerk, das für seine Zeit steht gehört dazu. Mit inbegriffen sind da auf den ersten Blick visuell möglicherweise nicht so ansprechende Örtlichkeiten aus den 60iger Jahren oder Hochhäuser. Letztgenannte haben in unseren Breiten eine nicht zu lange Halbwertszeit, weshalb sie im Zusammenhang mit Lost Places gern zu Unrecht auch vergessen werden.
Kirchen und Burgen
Ein Paradebeispiel für Lost Places sind Kirchen und Burgen. Sie sind geschichtsträchtig und oftmals mehrere hundert Jahre alt. Auch, wenn oftmals nur noch die Grundmauern stehen, so sind sie absolut fotogen. Im Inneren von Kirchen und Burgen verbirgt sich in den Katakomben, den nicht mehr betriebenen Weinkellern und Dachstühlen ein ganz besonderer Charme, der es so reizvoll macht, diese Bauwerke abzulichten. Natürlich steigt der Reiz, je weniger diese Örtlichkeiten touristisch erschlossen sind. Übrigens: nicht nur die Größe macht’s. Gerade kleinere Dorfkirchen sind lohnende Lost Places. Sind die Türen verschlossen, dann hilft die Pfarrei gern weiter.
Oldtimer – Zwei, vier und mehr Räder
Wer die Sendung Trödeltrupp kennt, der weiß um das ein oder andere Oldtimer-Schätzchen in einer überfüllten Scheune und/oder Garage. Das sind Zeitzeugnisse, an denen der ästhetische Verfall ebenso greifbar ist wie auf einem Schrottplatz – so manchem Liebhaber treibt dies Tränen in die Augen. Ein Eldorado an Oldtimern bietet der Autofriedhof/Autoskulturen-Park im Neandertal. Über 50 Autos, Motorräder, Fahrräder – alle um das Baujahr 1950 – wurden hier von Michael Fröhlich zusammengetragen und in einem größeren Waldgrundstück drapiert. Seit 2000 sind die fahrbaren Untersätze nicht nur Wind und Wetter ausgesetzt, sondern von der Natur eingerahmt. Michael Fröhlich öffnet nach Terminabsprachen und gegen eine Gebühr seine Pforten. Wer will, der kann auch Models dazu buchen.
Bunkeranlagen
Wer kennt sie nicht, die Bunkeranlagen beispielsweise an der Küste aus dem zweiten Weltkrieg. Diese gehören ebenso zu den Lost Places wie die in den Städten, die mit viel Aufwand heute einem neuen Verwendungszweck zugeführt werden.
Bunker, und dazu kann man auch die Luftschutzkeller zählen, haben eine ihnen ganz eigene Atmosphäre gepaart mit einzigartigen Lichtsituationen. Auf das Detail mit Beschriftungen gilt es sich hier ebenso fotografisch zu konzentrieren wie beispielsweise auf die schweren Eisentüren und die dicken Betonwände mit ihren kleinen Lichtschlitzen.
Bergwerke und Co.
Bergwerke, und hier darf man nicht nur an die großen denken, sind mit ihren oftmals bedrückenden engen Gängen und spärlichen Beleuchtung ein Paradebeispiel für Lost Places. Im Bundesgebiet gibt es zahlreiche kleinere Bergwerke – hier lohnt eine Kontaktaufnahme mit der Touristeninformation. Aus fotografischer Sicht besonders interessant sind diese Örtlichkeiten, wenn sich in den Anlagen noch Schienen, alte Loren oder Maschinen befinden.
Industrieanlagen
Industrieanlagen im Kleinen wie im Großen finden sich im gesamten Bundesgebiet. Manche, wie die Zeche Zollverein, sind heute Weltkulturerbe und bieten, wie beispielsweise der Landschaftspark Duisburg, spezielle Fototouren an. Natürlich kann man sich diese Orte auch alleine erschließen. Aus fotografischer Sicht besonders imposant sind natürlich die größeren Industrieanlagen mit ihren überdimensionierten leeren Hallen und den besonderen Lichtsituationen. Nicht weniger Aufsehen erregend sind jedoch auch kleinere Locations, in denen sich oftmals auch noch ein Maschinenpark befinden kann.
Freizeitparks
Der unter den Lost Places sicherlich bekannteste Freizeitpark ist der Spreepark im Plänterwald im Berliner Bezirk Treptow. Er gehört mit seiner vergessenen und verlorenen Welt zu den beliebtesten versteckten Orten in Berlin. Sehr zum Bedauern der Interessierten werden seit dem Verkauf und nach dem Brand im Sommer 2014 keine Führungen mehr angeboten. Im Ausland, wie beispielsweise in den USA, hat man noch deutlich größerer Chancen, die Welt der ausrangierten Fahrgeschäfte sich fotografisch zu erschließen. Hier in Deutschland muss man schon intensiv suchen.
Schwimmbäder – Hallen- und Freibäder
Immer mehr Schwimmbäder aus den vergangenen Tagen haben ihre Glanzzeit hinter sich und werden durch leere Stadtkassen stillgelegt und einer anderen Nutzung zugeführt. Man sollte sie, sofern sie noch existent sind, jetzt aufsuchen. Es sind derzeit jene Orte, die als Zeitdokumente für eine Epoche zunehmend verschwinden. In Bezug auf Freibäder fotografisch gesehen besonders imposant ist, wie sich die Natur ihren Raum zurückerobert.
Wohnhäuser
Weitere Beispiele für eindrucksvolle Lost Places sind Herrenhäuser mit ihrem besonderen Charme aus vergangenen Tagen. Hier sind aber nicht nur jene erlebnisreich, die 100 Jahre alt und älter sind, sondern auch Objekte aus den 50er und 60er Jahren mit ihren bevorzugt grünen und braunen Bädern oder beispielsweise ihren Holzvertäfelungen.
Außer Acht lassen sollte man auch nicht die Wohnhäuser aus der DDR-Zeit. Gerade in ländlichen Regionen gibt es unzählige, bei denen die vergangene Zeit stillsteht. Eingangs hatten wir schon auf Hochhäuser hingewiesen – man sollte sie als Lost Places im Fokus haben. Eine Option sind natürlich auch Freilichtmuseen – diese erachten wir allerdings als weniger lohnenswerte Locations, da sie kommerziell betrieben werden und es ihnen an gelebter Geschichte fehlt, auch wenn sie für eine Zeit stehen.
Bitte beachten
Nicht immer geht es bei den fotografischen Streifzügen legal zu – das Entdeckungsfieber und die Gier nach visuellen Impressionen lässt so manchen zum Gesetzesbrecher werden. Hier muss man mahnen, denn auch wenn sich um das Gebäude oder zum Beispiel dem Schacht kein Zaun befindet, Türen und Fenster bei Bauwerken offen stehen, so bedeutet dies noch lange nicht, eintreten zu dürfen. Auch wenn diese Orte verlassen sind, so haben sie Besitzer, die ihr Einverständnis geben müssen.
Das ist bisweilen zeitraubend und erfordert die Kontaktaufnahme mit der Gemeinde und/oder Stadtverwaltung und ein Blick in das Grundbuch. In kleineren Gemeinden können die Angestellten vielfach direkt helfen. Natürlich ist die Verlockung groß, auch ohne Genehmigung diese ästhetisch so faszinierenden Orte aufzusuchen. Viele können dieser Versuchung nicht widerstehen und geben dann zu ihrem und zum Schutz der Örtlichkeit nicht preis, wo die Aufnahmen entstanden sind.
Idee + Text (c) Prophoto (www.prophoto-online.de)
Fotos (c) Herbert Kaspar | Andreas Kaspar (Zeche Zollverein)