Der Frühling kommt. Im Garten sehe ich bereits die ersten Krokusse, Narzissen und Tulpen. Und bald sprenkeln in meinem beliebten Fotorevier die violetten und manchmal auch weißen Schachblumen wieder die grünen Wiesen.
Gibt es eigentlich das ideale Fotorevier für Naturfotografen? Ja! Ich habe es gefunden. Und zwar direkt vor meiner Haustür. Ich wohne in der Wesermarsch und habe das Glück, dass eine der größten Schachblumenpopulation in der Nähe meines Wohnortes liegt.
So ein Glück haben Sie nicht? Vielleicht doch!
Das sagt Wikipedia: Das größte zusammenhängende Vorkommen in Deutschland befindet sich in den Feuchtwiesen der beiden aneinander angrenzenden Naturschutzgebiete „Sinngrund“ bei Obersinn und „Sinnwiesen“ von Altengronau an der Sinn, einem kleinen Nebenfluss der Fränkischen Saale. Der größte Bestand östlich der Elbe kommt in der unmittelbaren Nähe der Stadt Ziesar in Brandenburg vor. Daneben kommt die Schachblume in Deutschland nur noch an der unteren Elbe bei Hetlingen (dort stehen auf 145 Hektar ca. 80.000 Exemplare), am Elbzufluss Seeve, vereinzelt in den Naturschutzgebieten Heuckenlock (an der Süderelbe bei Moorwerder), Duvenstedter Brook und Wittenbergen, bei Sassenberg in Westfalen (Schachblumenwiesen) und am Main (z. B. in Bayreuth) vor.
Die Schachblume ist ein Liliengewächs und dem Krokus nicht unähnlich. Als Frühblüher ist die Pflanze mit ihren besonders gezeichneten Blütenblättern, die entfernt an ein Schachbrett erinnern, von April bis Mai anzutreffen. Sie blüht rund zwei bis drei Wochen und verschwindet dann in den später heranwachsenden Wiesenpflanzen. Der Beginn der Blütezeit ist von der vorangehenden Kälteperiode abhängig und nicht genau vorherzusagen.
In Deutschland sind die Schachblumen stark gefährdet und sie gelten nach der Bundesartenschutzverordnung ebenso wie in Österreich als besonders geschützt. Als Gefährdungsursachen ist hauptsächlich die Zerstörung ihrer natürlichen Lebensräume in Feucht- und Nasswiesen, Auwäldern und Überschwemmungsbereichen von Flüssen (Flussauen) anzuführen. Ferner wirkt sich die anhaltende Nährstoffanreicherung der Böden durch Düngemittel als bestandsmindernd aus. In Österreich gilt die Schachblume als vom Aussterben bedroht. In der Schweiz ist sie seit 2000 vollständig geschützt.
Als Naturfotograf befindet man sich ständig im Dilemma. Einerseits möchte man die Schönheit der Natur einfangen, um sie anderen Menschen näher zu bringen, anderseits ist man im Naturschutzgebiet der größte Störenfried. Um diesen Widerspruch möglichst klein zu halten, muss man die Regeln und Verbote in Naturschutzgebieten unbedingt einhalten. Das sind für die Fotografie große Einschränkungen. Um Konflikte zu vermeiden rate ich daher, sich mit örtlichen Naturschützern oder Landschaftshütern abzusprechen. Dabei sollte man fotografische Absichten und das Bewusstsein für die Natur deutlich machen.
Die Schachblumen sind sehr empfindlich und stark gefährdet. Auch wenn sie in den Schutzgebieten während ihrer Blütezeit fast unerschöpflich erscheinen, betreten Sie diese unbedingt mit angemessenem Verhalten. Verlassen Sie nicht die sichtbaren Wege und pflücken sie auf keinen Fall Blumen. Wenn Sie Fotos anfertigen wollen, seien sie besonders achtsam. Denn Sie sehen, was Sie sehen wollen und haben dann schon zig andere Blumen umgewalzt. Die hier gezeigten Bilder sind mit äußerster Vorsicht entstanden. In einem vorher mit dem Landschaftshüter abgestimmten Areal, über einen Zeitraum von rund acht Jahren.
Früh morgens ist oft die beste Zeit um beeindruckende Aufnahmen zu machen. Nicht nur wegen dem Licht und der taufrischen Stimmung, sondern auch, weil die meisten Touristen noch schlafen. Sie würden einem mit vielleicht geringerer Sensibilisierung für den Naturschutz nacheifern und damit möglicherweise Schaden anrichten. Naturfotografen tragen dahingehend eine große Verantwortung. Dies sollte sich jeder an der Natur interessierte Hobbyfotograf unbedingt bewusst machen.
Sind diese Dinge einmal geklärt, kann man sich in aller Ruhe daran machen, seine Motive aus unterschiedlichen Perspektiven und mit verschiedensten Aufnahmetechniken zu nähern. Mit viel Ausdauer über einen langen Zeitraum entstehen so ganz besondere Bilder, die ganz bestimmt auch zum Zweck des Naturschutzes ihre Anwendung finden werden. Das ist ein schöner Gedanke und zudem auch sinnvoll.
Pflanzen geben wunderbare Motive ab. Sie sind bewegungsarm, sofern es windstill ist. Und sie flüchten nicht. Daher sind sie besonders geeignet um technische, handwerkliche und gestalterische Möglichkeiten der Makrofotografie auszuprobieren und zu trainieren. Dabei kann man unterschiedliche Objektive einsetzen. Ein Makroobjektiv bietet sehr gute Abbildungsleistung. Lange Brennweiten überbrücken größere Distanzen, wenn man wegen oben erwähnter Umstände nicht weit in geschützte Bereiche eindringen kann. Mit einer achromatischen Nahlinse kann man herkömmliche Objektive für Nahaufnahmen nutzbar machen. Hierbei liegen die Vorteile gegenüber einem Makroobjektiv im geringen Anschaffungspreis und in der Flexibilität, wenn man sie an verschiedenen Zoomobjektiven einsetzt. Besonders im Weitwinkelbereich ergeben sich damit ungewöhnliche Perspektiven (siehe d-pixx 1/2014, Seite 66).
Wie immer in der Fotografie, kommt dem Licht eine besondere Bedeutung zu. Bei prallem Sonnenlicht sind harte Kontraste zu erwarten. Sie wirken bei zarten Makroaufnahmen nur selten gut. Hier helfen kleine Faltreflektoren, mit denen man das Licht auf das Motiv führen kann. Sie sind meistens auch als Diffusoren einsetzbar, um hartes Licht zu streuen. Steht die Sonne tief, kann man schöne Gegenlichtaufnahmen machen. Am besten wirken die filigranen Pflanzen aber bei diffusem Licht. Daher ist bewölktes Wetter vom Licht her besonders geeignet. Farben werden dabei sauber und differenziert wiedergegeben. Durch leichtes Überbelichten bekommen zarte Pflanzen eine weiche, pastellige Note.
Eine Perspektive mit dem Motiv auf Augenhöhe wirkt meistens spannender, als eine Draufsicht. Beim Einsatz eines Teleobjektives sind dabei möglicherweise störende Objekte zwischen der Kamera und dem Motiv. Man kann sie aber bewusst nutzen, um damit einen weichen, unscharfen Schleier um das fokussierte Motiv zu legen. Dem Fokuspunkt kommt in Makroaufnahmen eine besondere Bedeutung zu. Wohin damit? Im Nahbereich ist die Schärfentiefe sehr gering. Der fokussierte Bereich legt den Blickfang des Bildes fest. Er fokussiert das Interesse des Betrachters. Die Frage nach dem richtigen Schärfepunkt obliegt dem Fotograf und es kommt darauf an, was er mit dem Bild ausdrücken möchte. Insofern gibt es kein richtig oder falsch. Jedoch ist es nicht verkehrt, wenn man versucht eine harmonische, grafische Wirkung nach ästhetischen Maßstäben der Bildgestaltung zu erzielen. Das spricht nach den Regeln der Kunst viele Betrachter an.
Gefahr besteht dann, wenn unbeabsichtigt mehrere Schärfepunkte entstehen. Das passiert im Nahbereich nur all zu schnell. Auf der schmalen Schärfenebene liegen oft mehrere Punkte und bei der Konzentration auf einen wichtigen Punkt übersieht man leicht die anderen. Im späteren Bild weiß der Betrachter dann aber nicht, welchen Punkt der Fotograf betonen wollte. Daher ist es wichtig, sich den in der Schärfe liegenden Objekte bewusst zu werden und sie entsprechend im Bildformat zu platzieren. Doch manchmal ist das gar nicht machbar. Eine nachträglich per Software erzeugte Unschärfe kann hier helfen.
Text und alle Fotos © Kai Kinghorst