Aus der Sprüchekiste: „Totgesagte leben länger.“ Da ist (manchmal) etwas dran. Auch bei der Fototechnik.
Samuel Langhorne Clemens ist bekannter als Mark Twain, Erfinder von Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Aber er hat nicht nur diese Geschichten geschrieben, sondern zum Beispiel auch sehr schön zu lesende Reiseberichte – besonders schön zu lesen die über seine Besuche in Europa. Über Florenz und den Arno schreibt er beispielsweise: Es wäre ein recht überzeugender Fluss, wenn man etwas Wasser hineinpumpen würde. Alle bezeichnen ihn als Fluss, und sie glauben ehrlich, dass er ein Fluss ist, diese finsteren und blutigen Florentiner. Sie helfen dieser Täuschung sogar noch nach, indem sie Brücken darüber bauen. Nun – wenn man bedenkt, dass Mark Twain eine Ausbildung als Flusslotse auf dem Mississippi gearbeitet hat, kann man ihm diese amerikanische Ansicht (“Bei uns ist alles größer!”) nachsehen.
Aber nicht deswegen habe Mark Twain ins Spiel gebracht, sondern einer anderen Geschichte wegen. Eines Tages meldete eine Zeitung, Mark Twain sei gestorben, was aber nicht stimmte. Seine Reaktion: Der Bericht über meinen Tod war eine Übertreibung. Er wurde 74 Jahre alt und ist ein gutes Beispiel für den Satz, dass Totgesagte länger leben.
Und damit bin ich nun doch noch in der Fotoecke angelangt, in der Ecke der Totgesagten, genauer gesagt.
Totgesagt ist zum Beispiel die analoge Fotografie. Aber wenn auch Digitalkameras den Markt beherrschen, so gibt es doch viele Fotografen, die gerade jetzt ihre alten SLRs wieder aus dem Schrank holen, oft solche aus der Vor-AF-und-eingebauter-Winder-Ära. Sie kaufen Filme, die es noch in ausreichender Menge gibt, laden die Kameras, freuen sich am Geräusch des Filmtransports und am Klicken, Ratschen und Klacken beim Auslösen.
Alte Objektive sind oft auch noch vorhanden und im Laufe der Zeit, wenn sie ordentlich gelagert waren, ja nicht schlechter geworden ( … und haben noch einen Blendenring, den man lobenswerterweise an einigen aktuellen Objektiven auch wieder findet).
Natürlich können auch Kameras mit eingebautem Winder/Motor und einem frühen AF-System nostalgischen Fotocharme entwickeln. Beim Einsatz eines solchen alten Schätzchens kann man dann feststellen, wie viel schneller und sicherer die automatische Scharfstellung geworden ist, was einen wiederum dazu bringt, verblüfft festzustellen, dass es auch schon wieder 31 Jahre her ist, seit mit der Minolta 7000 das AF-Zeitalter im SLR-Segment begann. (Ich weiß, ich weiß: die Pentax ME-F war früher – aber die Minolta 7000 hatte die zukunftsweisende Technik und war in ein System aus AF-Objektiven, Blitzen und Zubehör eingebettet!)
Wenn dann der Film (36 Aufnahmen, dann ist Schluss! Und alle 36 mit einer Empfindlichkeit!) belichtet und zurückgespult ist, wird dem Moment entgegengefiebert, wenn die Bilder/Dias vom Entwickeln zurück kommen und zeigen, dass …. alles geklappt hat.
Manche warten auch nicht so lange. Sie bauen den Vergrößerer auf, stellen Entwicklungsdose und Schalen bereit, holen die Fotopapiere und Chemikalien aus dem Schrank, schalten das Licht aus und die Dunkelkammerleuchte an und machen sich ans Entwicklen und Vergrößern. Und was ist das Aufploppen eines Bildes auf dem Monitor gegen den magischen Moment, wenn sich auf dem Blatt Papier im Entwickler das Bild schemenhaft zu zeigen beginnt …
Warum sollte es auch nicht geklappt haben. Jahrzehnte lang haben Schnittbildkeile und Mikroprismenringe zu scharfen Bildern verholfen, mittenbetonte Integralmessung und manuelle Zeit- und Blendeneinstellung die korrekte Belichtung möglich gemacht, vielleicht mit Unterstützung durch den erfahrenen Fotografen, der wusste, wann man ein bisschen reichlicher oder ein wenig knapper belichten musste.
Diese alte Technik findet wieder Freunde … aber nicht nur Foto-Oldies, zu denen ich mich auch zählen darf, finden Freude an Filmen, auch junge Leute kommen wieder auf den Geschmack.
Das heißt natürlich nicht, dass die analoge Fotografie fröhliche Urständ feiern wird, aber tot sieht anders aus.
Und das ist eine durchaus positive Entwicklung.
Text und Bild (c) Herbert Kaspar
[…] Kommentar – Totgesagte leben länger […]