Ich gebe zu, dass ich ein bisschen altmodisch bin. Ich höre zwar keine LPs mehr (für die Jungen: LP = Langspielplatte, mehr dazu unter Schallplatte auf wikipedia), obwohl ich noch eine Schachtel voll besitze und der Dual-Plattenspieler und der Fisher-Receiver noch funktionsfähig sind (das Akai-Kassettendeck auch, aber dafür sind keine guten Kassetten mehr vorhanden) – aber ich höre Musik noch von DVDs und nicht übers Internet. Die DVDs machten es mir möglich, in diesem Advent der üblichen Weihnachtsschlagerbeschallung durch das Radio zu entgehen. (Im Auto haben mich zwar die ersten Takte von Last Christmas erwischt, aber ich konnte schnell genug den Sender wechseln.) Nicht entgangen bin ich dagegen der MediaMarkt-Werbung im Fernsehen – mit der Oma, die nicht mehr weiß, welche Kamera sich der Enkel gewünscht hat. Und damit kommen wir zum eigentlichen Thema.
Die arme Frau erlebt in einem Alptraum, wie sie wegen der falschen Kamera aus der Familie ausgeschlossen wird. Der Knabe ist enttäuscht, die Eltern sind ärgerlich, der Opa stinksauer, die Schwestern können es nicht glauben, dass Oma so dusselig war und sogar der Hund fletscht die Zähne (das sieht so nach Trick aus, dass er vermutlich sogar echt ist). Die Rettung: Ein Gutschein.
So weit, so gut …, na, ich will mal nicht übertreiben: So weit, so erträglich. (Dass es in Werbeblöcken deutlich blödere Filmchen zu sehen gibt, soll hier nicht vertieft werden). Nur erträglich? Warum dann diese Zeilen über gerade diese Mediamarkt-Werbung?
Weil sie Werbung fürs Fotografieren macht – fürs Fotografieren mit einer Kamera in jungen Jahren, um genau zu sein. Denn der Knabe wünschte sich altersuntypisch kein Smartphone, sondern eine Kamera! Und damit kommt ein wichtiger Aspekt der aktuellen Fotoszene zum Ausdruck: Smartphones haben zwar Kameras, die technisch sehr gute Bilder möglich machen, aber gegenüber einer Top-Kompakt-, All-in-One- und gar Systemkamera doch deutlich eingeschränkt sind. (Dass man auch mit Smartphones tolle Bilder machen kann, zeigte zum Beispiel die Werbung für iPhones, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass Kameras vielseitiger sind und ab einem bestimmten Anspruch die bessere Wahl fürs Fotografieren sind.)
Genau das muss immer wieder wiederholt werden: Eine Kamera mit einem guten Zoom und/oder guten Wechselobjektiven und/oder einem großen Sensor ist die logische Weiterentwicklung der Smartphonekamera, wenn man erst einmal Spaß am Fotografieren gefunden hat – und damit Spaß an Bildern, die mehr sind als Datensätze, die schnellstmöglich übers Internet geteilt (und ggf. Herrn Zuckerberg zur Weitverwertung geschenkt) werden sollen. Nichts gegen solche Bilder (sofern sie niemanden verletzen), denn die schnelle visuelle Kommunikation ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Gesellschaft. Sie ist im Übrigen keineswegs nur auf den Jungen beschränkt – man muss nur einmal Omas und Opas beobachten, die gerade die neuesten Bilder der Enkel auf den Bildschirm des Smartphones oder Tablets geschickt bekommen. Aber für die intensive Auseinandersetzung mit dem Hobby Fotografie ist eine „Kamera-Kamera“ einer Smartphone-Kamera eben doch vorzuziehen.
In diesem Sinne hoffe ich, dass viele Kameras unter den Weihnachtsbäumen liegen (nach Möglichkeit immer die Kamera der richtigen Marke, damit Oma keine Probleme mit der Familie bekommt) und dass möglichst viele Smartphones, die verschenkt werden, Wegweiser zum Fotohobby werden.
Frohe Weihnachten und herzliche Grüße aus Hammelburg
Ihr Herbert Kaspar
PS: Das Filmchen gibt es hier zu sehen.
Aufmacherfoto: © MediaMarkt
Hallo Herbert,
in Sachen Weihnachtsmusik bin ich voll bei dir. Am schlimmsten ist für mich dieses verlogene amerikanische Weinachts Gedudel. Es wird von Friede, Freude, Eierkuchen gesungen und zur Bescherung gibt es dann das neuste Sturmgewehr auf dem Gabentisch. Aber vielleicht wird dieses bei uns auch bald zur Wirklichkeit. Spätestens wenn das TTIP Abkommen ratifiziert ist und sich die amerikanische Waffen-Lobby durch unsere Waffengesetze benachteiligt fühlt.
Ich denke die Media Markt Werbung ist wohl ein bisschen zu optimistisch, indem sie versucht Jugendlichen eine Kamera schmackhaft zu machen. Klar es wird sicher noch einige geben die sich eine Kompakt Kamera zulegen, aber der größte Teil wird sich wohl weiter mit Bilder vom Handy zufrieden geben.
Eine gewisse Schuld dafür sehe ich aber auch bei der Kameraindustrie. Immer schneller wechselnde Modelle und gerade günstig sind Systemkameras und die dazu gehörenden Objektive ja auch nicht gerade. Die nächste Frage, was macht man mit dem Ergebnis? Das Bild anschließend bei Facebook hoch laden, um es mit Freunden zu teilen, dazu reicht auch ein Handy.
Ich weiß ja nicht ob du in letzter Zeit mal ein Foto Treffen mitgemacht hast. Mit Jungendlichen dabei ist wohl eher Fehlanzeige, da treffen sich nur alte Säcke so wie wir, oder noch ältere. Oder anderseits, gehe mal an einen sonnigen Tag an Orte wo sich hauptsächlich Touristen herumtreiben. Einer der mit einer richtige Kamera fotografiert, das hat schon Seltenheitswert. Weitgehend wird hier per Handy fotografiert.
Ich werde zwar weiterhin meinen ca. 1 Kilo-Vollformat-Klotz plus Objektiv und Stativ mit mir herumschleppen, bin mir aber auch bewusst, einer aussterbenden Spezies anzugehören.
LG Dieter
Gut gemacht, d-pixx.
PS: Nein, es gibt noch mehr Leute wie uns, die noch ihre richtige Kamera rumschleppen 🙂