so lautet der Titel unserer Jubiläumsausstellung. Wir sind das fotoforum 75 delmenhorst e.V.. Unser Verein feiert in diesem Jahr sein 40 jähriges Bestehen. 40 Jahre Spaß am Hobby – mit rückblickend vielen anspruchsvollen Fotothemen.
Fotografie trifft Malerei – das wohl bisher anspruchsvollste Thema, dem wir uns bisher gestellt haben. Zwei Jahre Vorbereitung, in denen wir oft an uns selbst zweifelten. Haben wir uns mit diesem Thema die eigene Messlatte zu hoch gesetzt?
Viele unserer Mitglieder haderten anfänglich mit diesem Thema. Was hat Malerei mit Fotografie zu tun? Und wie nähert man sich einer so schwierigen Aufgabe? Diese Fragen hat jeden von uns beschäftigt und auch verängstigt. Eine gute Idee ist es, sich ein Bild eines berühmten Malers vorzunehmen und zu versuchen ein fotografisches Plagiat zu erstellen. Sehr schnell wird dabei deutlich, dass Maler einen entscheidenden Vorteil haben. Sie können die Dinge, die sie abbilden wollen so arrangieren, dass alle Register der Bildgestaltung bedient werden. Dabei können Objekte nach Bedarf platziert oder mehr oder weniger detailliert, realistisch oder surrealistisch wiedergegeben werden. Überflüssige Dinge erscheinen nicht in einem Gemälde. Alles ist durchdacht.
Das Abendmahl, Leonardo da Vinci, 1494–1498
Seccomalerei (auch Sekkomalerei, Trockenmalerei), 422 × 904 cm
Santa Maria delle Grazie Mailand
Original auf Wikipedia
Fotografische Interpretation als Gemeinschaftsarbeit vom fotoforum 75
Die Szene zeigt im Original das letzte Abendmahl von Jesus mit seinen Jüngern. Unsere Interpretation zeigt uns in nachgestellten Posen der Protagonisten und symbolisiert auf diese Weise unsere Umgangsweise mit dem uns selbst gestelltem Thema.
Der Fotograf steht einer völlig anderen Situation gegenüber. Eine leere Leinwand gibt es nicht. Natürlich kann der Fotograf inszenieren, ein Set ändern und anpassen oder gar später wiederholen. Die meisten Fotografen arbeiten jedoch mit dem, was sie geboten bekommen. Hierbei ist es eine Kunst, Bildobjekte so zu arrangieren, dass sie die angestrebte Bildaussage bestmöglich im späteren Bild vermitteln. Abbildungen von unwichtige Details sind dabei nicht immer vermeidbar.
Frau mit Sonnenschirm, Claude Monet, 1886
Öl auf Leinwand, 131 × 88 cm, Musée d’Orsay
Original auf Wikipedia
Fotografische Interpretation von Markus Krischunas
Damit lagen die Unterschiede zwischen Malen und Fotografieren auf der Hand. Um als Maler Licht und Schatten in einem Bild realistisch wirken zu lassen, bedarf es guter Beobachtungsgabe und hohe handwerkliche Fähigkeiten. Der Fotograf hingegen hat es immer mit realen Lichtverhältnissen zu tun. Versucht man gemalte Bilder fotografisch nachzustellen, wird man zum einen feststellen, dass Maler Lichter und Schatten perfekt beherrschen, zum anderen aber auch gerne damit schummeln, um ihrer angestrebten Bildaussage die größte Wirkung zukommen zulassen. Unsere Models mussten sich auf unmögliche Weise verrenken, um exakte Körperhaltungen aus manchen Portrait-Gemälden einzunehmen. Maler arbeiten unter anderem mit dem Simultankontrast. Sie bemalen ihre Leinwand zunächst mit einer lichten Farbe, die zu der später heraus stechenden Farbe komplementär ist. Dadurch erscheinen später hinzugefügte kleine Farbflächen besonders betont. Perspektiven werden von den Malern übertrieben, ohne dass der Betrachter dies sofort bemerkt. Maler haben also viel mehr Freiheiten als Fotografen. Doch die digitalen Bearbeitungsmöglichkeiten weichen diesen Umstand auf. Fotografie und Malerei kommen zusammen.
Rooms by the sea, Edward Hopper, 1951
Öl auf Leinwand, 101.98 x 73.66 cm, Private Collection
Original auf edwardhopper.net
Fotografische Interpretation von Alfred Kolschen
Während unserer Arbeit erkannten wir zahlreiche Einzelheiten in der Symbolik verwendeter Bildobjekte in den Gemälden. Sie stehen im direkten Kontext zur Entstehungszeit der jeweiligen Bilder. Persönliche Vorlieben und Eigenheiten der Maler, die sich in ihrem Stil niederschlugen, bekamen nun eine Bedeutung. Manche Künstler schöpften ihre Kreativität aus ihrem persönlichen Leid und versuchten ihre Zeitgenossen darauf aufmerksam zu machen. In Bildern zeichnet sich immer Weltgeschichte ab. Dinge, die Menschen beschäftigen, sind eh und je Thema in Bildern. Manche Themen haben sich bis heute nicht verändert und werden auch künftig Thema bleiben. Schon die ersten Höhlenmalereien sind Zeugnis des Bewusstseins – „Ich lebe, also bin ich!“
Der Schrei, Edvard Munch, 1893
Pastell auf Holz, 74 × 56 cm, Munch-Museum Oslo
Original auf Wikipedia
über Edvard Munch
Fotografische Interpretation von Kai Kinghorst
Als wir uns im Verlauf unserer Arbeit dessen bewusst wurden, bemerkten wir, dass sich durch unsere Interpretationen bei einigen Werken interessante Zeit-Kontraste zu den gemalten Bildern manifestierten. Damit wurde nun klar, dass das bloße Kopieren nicht Ziel der Aufgabe sein konnte. Unsere persönlichen Sichtweisen und unsere handwerklichen Fähigkeiten waren nun von großer Bedeutung geworden. Das Abweichen vom Original und die Wahl des Herstellungsprozesses, sowie die nachfolgenden Manipulationen verliefen weites gehend intuitiv und offenbarte uns einiges über uns selbst. „So bin ich und so sehe ich es!“
Das Schweigen, Johann Heinrich Füssli, 1799-1801
Öl auf Leinwand, 52 x 64 cm, Kunsthaus Zürich
Original auf Wikipedia
über Johann Heinrich Füssli auf Wikipedia
Fotografische Interpretation von Klaus Wendler
Nun wurde uns auch klar, wie sehr darum gestritten wurde, die Fotografie als Kunstform anzuerkennen. Nicht zuletzt die immerwährende Diskussion über fotografische Manipulationen und der Glaube, ein Foto müsse die Realität zeigen, sehen wir heute in einem völlig anderem Licht. Dieses Thema hat uns viel über uns selbst verraten und es hat uns einen weiter reichenden Blick geschenkt.
Werfen Sie einen weit reichenden Blick auf unsere Werke und schauen Sie, ob unsere Sicht Ihnen etwas über Sie selbst verrät.
Der Grützturm in Treptow/Rega, Lyonel Feininger, 1928
Öl auf Leinwand, Hessisches Landesmuseum Darmstadt
über Lyonel Feininger auf Wikipedia
Fotografische Interpretation von Hella Langer
Die Interprtetation zeigt Fragmente alter Gebäude der Norddeutschen Wollkämmerei & Kammgarnspinnerei (kurz Nordwolle) in Delmenhorst. Auf dem Gelände ist heute unter anderem die Volkshochschule Delmenhorst ansässig, zu der wir eine große Verbundenheit pflegen und in dessen “Lichthof” unsere Ausstellungen regelmäßig gezeigt werden.
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Auf diesen Artikel hin meldete sich die Homepage www.artsy.net bei uns, die sich intensiv mit Malerei befasst.
Besonders die Umsetzung des Bildes von Edward Hopper stieß dort auf großes Interesse, da man sich auch mit dem Werk dieses Künstlers auseinandersetzt und ihm eine eigene Seite widmet: https://www.artsy.net/artist/edward-hopper
Ein Besuch lohnt sich.
. . . ein sehr gut geschriebener artikel. Er macht neugierig und informiert bereits im vorfeld sehr sehr gut. Klasse geschrieben !
Ihr seid wahninnig!!! das haut mich total um und ich weiß wirklich nicht was ich dazu sagen soll..
Ich bedauere zutiefst nicht da gewesen zu sein. Einige von euch werden das hoffentlich verstehen.
Mir kommen die Tränen – vor lauter Begeisterung. Wer hat die Texte zu den Bildern verfasst? Diese so kenntnisreiche Sprache zeugt von einer echten Auseinandersetzung mit den Themen, dem Konflikt der nicht nur im Anfang der Fotografie herrschenden Ablehnung diesem Medium gegenüber, sondern ebenfalls der detektivischen Arbeit, bezüglich jener, der Malerei geschuldeten Stilmittel, welche diese letztlich so unübertroffen zu machen glaubte und stellt die Dinge so unmittelbar und direkt nebeneinander, dass sie die fast logische Konsequenz einer inneren Nähe beider Stilmittel offen legt.