Aufnahmen im Dunkeln
Wer sich nicht scheut, vor Tagesanbruch oder nach Anbruch der Nacht auf Fotopirsch zu gehen, wird sehen, dass auch sehr wenig Licht für gute Fotos reicht.
Wir sehen im Dunkeln keine Farben, daher ist ein Nachtfoto immer eine interessante Erscheinung. Die Kamera kann über lange Belichtungszeiten vorhandenes Licht einsammeln und uns damit ein ungewohntes Seherlebnis geben. Ob Architektur, Stadtlandschaften, Landschaften oder Lichtspuren, es gibt eine Vielzahl von möglichen Motiven.
Gut gerüstet
Bevor es losgeht, ein paar Gedanken, welche Ausrüstung nötig ist. Da man immer mit langer Belichtung arbeiten wird, ist ein stabiles Stativ unverzichtbar. Um Erschütterungen bei der Auslösung zu vermeiden, hilft der Selbstauslöser oder besser, ein Fernauslöser. Bei Spiegelreflexsystemen ist eine Spiegelvorauslösung ebenso vorteilhaft, um Erschütterungen durch den Spiegelschlag entgegenzuwirken.
Grundsätzlich eignen sich alle Brennweiten zur Nachtfotografie. Allerdings nicht alle Objektive. Hat ein Objektiv viele Linsen und / oder einen großen Zoombereich, kann es unter Umständen sehr schnell zu unerwünschten Reflexen kommen. Hier heißt es ausprobieren, welches Objektiv sich eignet und welches nicht.
Von Vorsatzfiltern jeder Art rate ich ab, da sie die optische Güte verschlechtern und unerwünschte Reflexe hervorbringen können. Die Streulichtblende (auch Sonnen-, Gegenlicht- oder Störlichtblende genannt) sollte dagegen immer benutzt werden.
Wenn die Kamera über Live-View verfügt, ist das vorteilhaft. Allerdings ist dabei zu bedenken, dass diese Funktion wie eine Heizung für den Sensor wirken und das Rauschen erhöhen kann.
Eine kleine Taschenlampe sollte man mitnehmen, denn in dunkler Umgebung ist es oft schwer, die nötigen Einstellungen an der Kamera vorzunehmen. Gute Dienste macht da eine kleine Stirnlampe, denn so hat man die Hände frei. Ich kann noch sehr empfehlen, das Stativ und sich selbst mit Reflektoren zu bestücken. Reflektierende Aufkleber an den Stativbeinen und eine übergezogene Warnweste erhöhen die eigene Sicherheit und auch die anderer Personen.
Nacht-Stadtlandschaften
Ich habe viele Nachtfotoerfahrungen in der Stadt gesammelt. Eine Vielzahl von Lichtquellen erhöht dort den Gesamtlichtwert und der Dynamikumfang ist nicht so schwer zu bewältigen. Natürlich kann man auf die HDR-Technik zurückgreifen, aber mir ist das eigentlich zu mühselig. Eine korrekte Belichtung reicht in den meisten Fällen aus. Viele Lichtquellen bringen aber auch Probleme, wie unterschiedliche Farbtemperaturen und verschiedene Lichtstärken.
Ich benutze immer den automatischen Weißabgleich und korrigiere die RAW-Aufnahmen gegebenenfalls später. Für eine gute Belichtung gehe ich meistens so vor, dass ich den Bildausschnitt festlege, eine Blende einstelle und mit der mittenbetonten Messmethode die Zeit ermittle. Sind starke Lichter im Bild, mache ich eine Minuskorrektur zwischen -1 und -2 Stufen. Auch die Entfernung der Lichter zum Kamerastandpunkt ist entscheidend. Je näher sie am Standpunkt sind, desto stärker fallen sie ins Gewicht. Für eine genaue Messung ist die Spotmessung geeignet. Bei unveränderter Brennweite, Blende und festem ISO-Wert misst man im manuellen Modus einen möglichst hellen und anschließend einen möglichst dunklen Punkt an. Aus beiden Belichtungswerten kann man dann einen Mittelwert für die Belichtungszeit einstellen.
Der Mond ist eine sehr starke Lichtquelle und fällt besonders ins Gewicht, wenn die Szene nicht ganz so viel Eigenlicht enthält (siehe Titel-Bild). Ist man sich nicht sicher, wie die Lichter zu bewerten sind, hilft ein Blick auf das Histogramm. Ist es zu rechtslastig, hilft eine Minuskorrektur und umgekehrt. Leichtes „Ausbrechen“ der Lichter oder „Absaufen“ der Schatten sind später im RAW-Konverter gut in den Griff zu bekommen. Hat das Motiv allerdings einen zu starken Dynamikumfang, muss man sich für einen Bereich entscheiden oder die HDR-Technik anwenden.
Wirkungsvolle Motive findet man wohl in jeder Stadt. Besonders moderne Gebäude sind effektvoll illuminiert, denn auch die Architekten gestalten mit Licht. Man kann bestimmte Gebäudedetails mit einem Teleobjektiv in einem passenden Bildausschnitt verdichtet darstellen oder nach besonderen Sichtachsen in der Stadtlandschaft Ausschau halten und sie mit weitwinkligen Brennweiten einfangen. Die Wirkungen und Bildaussagen sind ganz unterschiedlich. Gestalterische Regeln der Architektur-Fotografie finden natürlich auch bei Dunkelheit Anwendung. Stürzende und konvergierende Linien betonen die Tiefe einer Szene oder die Höhe von Gebäuden. Man spricht von der dynamischen Komposition. Mit der perspektivischen Korrektur stürzender Linien, egal ob in der Nachbearbeitung oder mit einem speziellen Objektiv, können die Bildelemente ganz andere Symbolwirkung erzeugen. Hier wird Stabilität erreicht und Größenunterschiede lassen sich herausarbeiten. Das ist die statische Komposition.
Ich möchte an dieser Stelle aber nicht weiter in die Bildgestaltung abtauchen, sondern alle Leser ermutigen, doch mal auszuprobieren, wie man trotz Dunkelheit tolle Fotos machen kann. Das geht nicht nur in beleuchteten Städten – auch Natur- und Kultur-Landschaften sind bei Dunkelheit eine tolle Herausforderung. Aber dazu mehr im Teil 2.
Copyright Fotos und Text: © Kai Kinghorst
Hallo Kai. Ein interessanter Bericht mit tollen Bildbeispielen die mal wieder dabei helfen sollten den “inneren Schweinehund” zu besiegen und sich am Abend von der doch sehr gemütlichen Couch weiter als bis zum PC zu erheben!
Ich werds versuchen auch wenn hier auf dem Lande solche Motive wie deine schon sehr selten zu finden sind!
Gruß
Robert
Hallo Robert,
vielen Dank. Auf dem Land geht’s genauso gut, ich erzähl Dir im Teil 2 mehr davon. Genieß bis dahin die Zeit auf der Couch mit Deinem Hund. 😉
Gruß Kai
Hallo Kai,
danke für die tolle Anleitung. Mal sehen ob es klappt. Mir geht es so wie Robert.
Dein letztes Bild (Taxi) könnte ich Dir glatt abkaufen. Gefällt mir sehr!
Gruß Burghard
Hallo Burghard,
danke für Deinen Kommentar.
Bei der nächsten Papier-Aktion bestell’ ich Dir ein Taxi mit. Du musst mir dann nur noch den Zielort nennen. 😉
Gruß Kai