Der Sommer ist leider vorbei – aber auch im Spätherbst kann man noch mit warmen und trockenen Abenden rechnen. Sie machen Laune, noch spät am Tag die Kamera auf einen Fotospaziergang mitzunehmen und Bilder zu machen, während das Licht geht. Hier einige Tipps dafür …
Fotografieren bei wenig Licht ist als Überschrift zwar nicht falsch, aber auch nicht ganz richtig. Es geht um das Fotografieren bei wenig Licht ohne die Zuhilfenahme von Blitzlicht oder Fotoleuchten. In diesem Zusammenhang ist oft von „Available Light“ die Rede, aber ich finde, dass dieser Begriff auch nicht wesentlich genauer ist. Die Übersetzung lautet „Vorhandenes Licht“ – und helles Sonnenlicht ist zweifellos auch vorhanden. Und nach diesem Vorgeplänkel nun zur Hauptsache, zu den Tipps.
Tipp 1 Weder bei viel noch bei wenig Licht kann man fotografieren, wenn man keine Kamera dabei hat. Es muss ja nicht gleich die große D-SLR sein. Die Anschaffung einer Kompaktkamera als Zweitkamera, die auch in die Hand- oder Hemdentasche passt, und die man daher immer dabei hat, hat sich schon gelohnt, wenn man zwei oder drei Motive festhalten konnte, die man sonst nicht hätte einfangen können.
Tipp 2 Wenn es ums Fotografieren bei wenig Licht geht, schlägt die Stunde der lichtstarken Objektive. Auch in Kompaktkameras lassen sie sich mittlerweile finden. Echte „Lichtriesen“ (siehe d-pixx 6/2007, Seite 58) sind dagegen eine Domäne der Systemkameras. Bei DLSR-Modellen macht sich der Aufpreis für die hohe Lichtstärke auch durch das sehr helle Sucherbild bezahlt.
Tipp 3 Wer lange Jahre mit Kleinbildkameras fotografiert hat, muss sich bei der Arbeit mit lichtstarken Objektiven umstellen, denn wegen der kleinen Sensoren ist die Schärfenzone auch bei ganz offener Blende für Innen- oder Landschaftsaufnahmen angenehm breit. Das gilt besonders stark für Kompaktkameras, etwas weniger für APS-C-Kameras. Zum Vergleich: bei einer Vollformatkamera ist die Schärfenzone bei Einstellung auf 70 mm Brennweite, Blende 2,8 und 10 m Entfernung rund 3,5 m breit, bei einer APS-C-Kamera kommt man auf etwa 6,1 m, wenn man die Brennweite auf vergleichbare 45 mm (auf 70 mm [@KB]) einstellt.
Tipp 4 Bildstabilisation ist heute gang und gäbe. Diese Technik erlaubt es, Verschlusszeiten aus der freien Hand zu nutzen, die zwei bis vier Stufen länger sind, als es nach der Freihand-Faustformel – 1 geteilt durch (Brennweite mal Cropfaktor) – möglich sein dürfte. Bei Aufnahmen in der Morgen- oder Abenddämmerung oder nicht sehr hellen Innenräumen ist der „Stabi“ also grundsätzlich eingeschaltet! Aber Vorsicht bei Superweitwinkelaufnahmen. Ein Objektiv mit 20 mm Brennweite verlangt theoretisch an einer APS-C-Kamera nach 1/30 Sek. Drei Stufen länger ergibt 1/4 Sek. Das geht auch mit Stabilisator nicht immer gut (siehe Tipps 5, 6, 7).
Tipp 5 Fotografieren bei wenig Licht bedeutet auch beim Einsatz lichtstarker Objektive und Vorhandensein eines Bildstabilisators, dass Verschlusszeiten anfallen werden, die man nicht mehr aus freier Hand beherrschen kann. Wenn man loszieht, um Bilder bei wenig Licht zu machen, ist ein Stativ Pflicht. Punktum. Wenn man nur ein kleines Stativ dabei hat, hängt man für mehr Stabilität die Fototasche ans Dreibein, sofern sich noch einige Objektive darin befinden und für Gewicht sorgen. Gegebenenfalls – etwa am Strand oder am Ufer eines Wildbachs – kann man den Platz, den normalerweise die Kamera in der Tasche einnimmt, mit ein paar Steinen füllen.
Tipp 6 Bei allen Stativaufnahmen, bei denen man nicht in einem bestimmten Moment auslösen muss, empfiehlt sich der Einsatz des Selbstauslösers. Sehr schön sind kurze Ablaufzeiten, da sie reichen, um Vibrationen der Kamera abklingen zu lassen, die beim Auslösen entstanden. Gleichzeitig macht ein 2-Sekunden-Selbstauslöser recht zügiges Arbeiten möglich.
Tipp 7 Ist man ohne Stativ unterwegs und wird in der Dämmerung oder unter einer dunklen Gewitterwolke von einem Motiv überrascht wird die Kamera aufgestützt. Ein „Bohnensack“ ist hilfreich, um die Kamera auszurichten und/oder vor Kratzern zu bewahren. Nicht ganz so stabil, aber leichter zu transportieren ist ein Beutel mit flexiblen kleinen Kunststoffchips, die normalerweise zum Auffüllen von Hohlräumen in Paketen genutzt werden. Wenn die Fototasche zu voll ist, kann man das Kissen mit einer Schlaufe versehen und außen anhängen.
Tipp 8 Packen Sie zum Stativ drei Plastikdeckel ein, die z. B. auf Dosen mit vorgemahlenem Kaffee als Aromaschutz dienen. Sie wiegen nicht viel und können auf Sand (Bild 1) oder einem matschigen Waldweg nach dem Regen als Standflächen dienen, damit die Stativbeine nicht einsinken.
Tipp 9 Typische Möglichkeiten für Aufnahmen bei wenig Licht sind die Morgen- und Abenddämmerung kurz nach Sonnenauf- bzw. kurz vor Sonnenuntergang. Zu diesen Tageszeiten ist aber die Farbtemperatur (teils deutlich) niedriger, als die Farbtemperatur von 5.300 bis 5.500 Kelvin, die vom Weißabgleich als Durchschnitt für Tageslicht angesehen wird. Das Licht ist „oranger“. Um die Stimmung gut herauszubekommen, kann man den Weißabgleich auf Tageslicht stellen. Dann wird die abweichende Farbigkeit des Lichts gut ins Bild gebracht.
Tipp 10 Nicht nur System-Kameras sondern auch viele Digital-Kompaktkameras bieten die Möglichkeit, den Messwinkel für die Belichtungsmessung zu verringern (“Spotmessung”, “Selektivmessung”). Wird bei wenig Licht fotografiert, kann man entscheiden, ob man die Belichtung auf die Lichter oder die Schatten abstimmt. Bei vielen Außenaufnahmen ist die erste Variante zu empfehlen, die zur Silhouettenbildung führt und die Gegenlichtsituation schön ins Bild bringt. Bei Innenaufnahmen, die ein Fenster einschließen, kann man in Kauf nehmen, dass die Außenwelt zu hell ins Bild kommt und die Belichtung auf ein Detail im Raum abstimmen (Bild 6). Es ist aber nie verkehrt, noch zwei oder drei weitere Belichtungen mit Minuskorrekturen zu machen, wodurch das Motiv im Raum dunkler wird, die Motivteile vor dem Fenster aber mehr Zeichnung bekommen.
Tipp 11 Wenn die Kamera die Möglichkeit des Kontrastausgleichs bietet, ist es empfehlenswert, ihn für Bilder bei wenig Licht zu nutzen. Helle Bildpartien erhalten mehr Zeichnung, die Schatten bleiben.
Tipp 12 Wenn dunkle Partien mehr Zeichnung erhalten, Blitz und Lampen aber nicht genutzt werden sollen, können Aufheller helfen, die Licht in die entsprechenden Partien bringen. Das geht vom Profi-Reflektor
(siehe d-pixx 4/2008, Seite 62) über eine Styroporplatte bis zum Blatt Papier oder dem weißen T-Shirt des Partners, der sich entsprechend platziert. Auch zerknitterte Alufolie ist gut zu gebrauchen.
Tipp 13 Dass bei Bildern bei wenig Licht auf Blitzlicht und Fotolampen verzichtet wird, heißt nicht, dass künstliches Licht völlig tabu ist. Man kann z. B. Lichter ins Bild mit einbeziehen, um große dunkle Bildpartien aufzulockern und zu strukturieren (Bild 7). Je nachdem, wie hell das Licht ist, muss eine Minuskorrektur durchgeführt werden, damit es nicht ausfrisst. Ob die Korrektur ausgereicht hat, zeigt ein Blick auf den Monitor der Kamera.
Tipp 14 Wenn sich während der Belichtung etwas im Motiv bewegt, wird es verwischt abgebildet. Das lässt sich nutzen, indem man die Kamera auf ein Stativ stellt und die Belichtungszeit so wählt, dass der Wischeffekt sehr deutlich ausfällt und der Aufnahme einen besonderen Reiz verleiht.
Tipp 15 Natürlich können auch Lichtquellen in einem dunklen Umfeld selbst zum Motiv werden. Das können Schaufenster sein (Bild 9), Leuchtreklamen, deren Spiegelungen im Wasser oder nassen Asphalt sein, aber auch Kerzen, Teelichter oder Laternen sollten durchaus einmal unter diesem Aspekt betrachtet werden.
Tipp 16 Viele Kameras haben Motivprogramme für Nachtaufnahmen, Nachtporträts oder Ähnliches, die tatsächlich auch gut arbeiten. Wenn aber Zeit genug ist, um sich über die Effekte klar zu werden, die man mit bestimmten Verschlusszeiten, Blenden, ISO- und Weißabgleichseinstellungen erzielt, und die Kamera entsprechende Einstellungen erlaubt, sollte man selbst entscheiden. Dann kann man sich durch Ändern einzelner Parameter sehr genau an das Bild herantasten, das man sich vorstellt.
Tipp 17 Wenn man bei wenig Licht fotografiert, liegt nicht nur das Motiv im Dunklen, sondern auch die Kamera. Das heißt: Man sollte wissen, wo welcher Knopf ist, um Einstellungen problemlos ändern zu können. Eine Minitaschenlampe am Schlüsselbund kann sehr hilfreich sein.
Bilder:
1 Herbert Kaspar
2 Herbert Kaspar
3 Sascha Kremer
4 Sascha Kremer
5 Herbert Kaspar
6 Herbert Kaspar
7 Kutt Niinepuu | Dreamstime.com
8 Mikael Damkier | Dreamstime.com
9 Herbert Kaspar
10 Maria Kremer